Dienstag, 22. Juni 2010

Memories: Eurovision Song Contest 1965


Italien - Den ersten Schritt in Richtung Moderne machte der Eurovision Song Contest im Jahr 1965. Am 20. März diesen Jahren trafen sich die Interpreten aus erstmals achtzehn Nationen zum Singen in der italienischen Metropole Neapel. Im ehrwürdigen Sala di Concerto della RAI fand der zehnte Contest statt, der mit einem frischen Siegerlied die Weichen für die spätere, wenn auch nur schwerfällig einkehrende Popmusikalisierung sorgen sollte.

In diesem Jahr war es den Nationen nicht explizit vorgeschrieben, den Beitrag in der jeweiligen Landessprache zu singen, sämtliche Teilnehmerländer machten es dennoch, im Jahr darauf wurde wieder eine Sprachregel eingeführt. Lediglich der Schwede Ingvar Wixell sang seinen Titel "Annorstädes vals" in der englischen Version "Absent friend". Doch nicht der kurzzeitige Regelumbruch der EBU, sondern die Melodien machten einen zeitgemäßen Eindruck, der Siegersong von France Gall sei hier stellvertretend genannt.

Durch den Abend führte Renata Mauro, die im Jahr 2009 leider verstarb. Im italienischen Fernsehen führte sie durch diverse Programme, moderierte u.a. die internationale Show "Jeux Sans Frontières" und spielte in einigen Filmen mit. Neben den 16 Teilnehmerländern vom Song Contest im Vorjahr konnte sie auch wieder einen Beitrag aus Schweden und erstmals einen Beitrag aus Irland ankündigen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte man noch nicht, dass Irland einmal die erfolgreichste ESC-Nation werden sollte.

Der irische Interpret Butch Moore schnitt mit seiner todtraurigen Ballade "I'm walking the streets in the rain", allerdings schon ganz ordentlich ab. Mit Platz sechs zeigte sich, dass für das Vereinigte Königreich nun ernsthafte Konkurrenz aus dem englischsprachigen Bereich aufgetaucht war. Die Juroren beider Länder straften das jeweilige Nachbarland aber sogleich mit null Punkten ab.

Das englischsprachige Duell konnte die britische Künstlerin Kathy Kirby allerdings für sich behaupten und belegte für das Königreich abermals den zweiten Rang. Die gebürtige Kathleen O'Rourke, die später aufgrund ihrer Optik mit Marilyn Monroe verglichen wurde wurde von der BBC intern ausgewählt und präsentierte sechs Titel in einem TV-Vorentscheid. Per Postkarte entschieden sich die Zuschauer für das Lied "I belong".

Zuvor war sie mit "Secret love" oder "Let me go lover" auf der Insel erfolgreich. Obwohl ihr Eurovisionstitel hervorragend abschnitt, war es zugleich der letzte Titel von ihr, der es in die britischen Verkaufscharts schaffte. In den 80er Jahren gab sie ihren Rückzug aus dem Showgeschäft bekannt, seitdem lebt sie recht zurückgezogen.

Weit vom zweiten Platz entfernt war die deutsche Künstlerin Ulla Wiesner mit ihrem Lied "Paradies, wo bist du?". Dabei setzte sich die gebürtige Münchenerin beim Vorentscheid "Ein Lied für Neapel", der vom NDR ausgetragen wurde souverän gegen die fünf Konkurrenten, darunter erneut René Kollo, durch. Beim Eurovision Song Contest erbarmte sich nicht ein Land, der Bundesrepublik Punkte zu geben.

Somit war die Karriere der Ulla Wiesner recht bald schon wieder beendet. Wie der deutschen Wikipedia zu entnehmen ist, war sie nach ihrem Ausflug nach Neapel als Chorsängerin tätig. Neben Wiesner landeten aber auch noch die Interpreten aus FinnlandBelgien und Spanien auf dem letzten, punktelosen, Platz. Für Spanien stand wieder Conchita Bautista auf der Bühne, die bereits das Debüt des iberischen Landes beim Eurovision Song Contest 1961 gab. Das schwungvolle Lied, dargeboten mit heftigen Armverrenkungen, schien aber europaweit niemanden zu beeindrucken, das Ergebnis von "Qué bueno, qué bueno" war am Ende des Abends absolut nicht bueno...

Weitere Wiederholungstäter waren Udo Jürgens für Österreich, der sich im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze auf Rang vier verbesserte und mit "Sag ihr, ich lass sie grüßen" 22 Wochen in den deutschen Charts ausharrte. Seinen Triumph sollte er jedoch erst im darauffolgenden Jahr haben. Der zweite Rückkehrer war der Kroate Vice Vukov im Dienste Jugoslawiens, der sein Land 1963 in London repräsentiert hatte. In Neapel reichte es mit "Čežnja" nur für Rang 12.

Auch Kirsti Sparboe nahm erstmals für Norwegen am Wettbewerb teil, zwei weitere Anläufe sollten folgen. Ihr "Karusell" musste sich gemeinsam mit der Portugiesin Simone de Oliveira den 13. Platz mit einem Punkt teilen.

Geringfügig besser lief es in diesem Jahr für die Niederländer. Conny van den Bos intonierte in dramatischer Art und Weise und mit furchteinflößenden Blicken á la Klaus Kinski den Titel "'t is genoeg" ("Es ist genug"). Wahrscheinlich über das Ergebnis dermaßen verbittert, ließ es sich Conny 33 Jahre später nicht nehmen bei der niederländischen Punktevergabe beim Song Contest 1998 in Birmingham auf ihren damaligen Auftritt hinzuweisen.

Dies war insofern ein denkwürdiger Moment, weil die Moderatorin Ulrika Jonsson die Phrase, Conny würde wissen, wie sich die Interpreten in diesem Moment fühlen würden, mit der fiesen Bemerkung "I know you have taking part, (...) a long time ago..." quittierte, Connys Mundwinkel nach unten sanken und ein Raunen durch's Publikum ging. Leider starb sie bereits im Jahr 2002, kurz nachdem die Ärzte bei ihr Lungenkrebs diagnostizierten.

Die Gastgeber schickten den, sogenannten, italiensichen Elvis zum Gran Premio Eurovisione della Canzone. Bobby Solo, damals Schwarm vieler Mädels stieg Anfang der 60er zum Teenie-Idol auf, 1965 war er dann mit seinem späteren Eurovisionstitel "Se piangi, se ridi" beim San Remo-Festival siegreich. Beim Contest reichte es für den fünften Platz. Mit den deutschen Versionen seiner Lieder konnte sich Solo auch in der deutschen Hitparade platzieren.

Der Sieg und das mit sechs Punkten Vorsprung ging aber zum zweiten Mal, nach 1961, an das Großherzogtum Luxemburg. Geschrieben wurde der Siegertitel "Poupée de cire, poupée de son" von Serge Gainsbourg, der einige Jahre später weltweit durch das Stöhnlied "Je t'aime...moi non plus" mit seiner Gemahling Jane Biskin für Aussehen sorgte. Eine Doppeldeutigkeit war im Eurovisionstitel aber nicht zu hören. Das Lied von der Ton- und der Wachspuppe entsprach dem modernen Zeitgeist und wurde als erster Siegertitel beim Song Contest ein richtiger, kommerzieller Erfolg.

Die 17jährige France Gall, die sich heute vom Eurovision Song Contest distanziert und nicht wirklich gern über dieses Thema spricht, hielt sich auch Jahre später mit Hits in ganz Europa im Musikbusiness. So erreichten Schlager wie "A banda (Zwei Apfelsinen im Haar)" oder "Ella, elle l'a" die deutsche Hitparade. Inzwischen lebt France Gall nach mehreren Aufenthalten in Westafrika aus dem Geschäft zurückgezogen in Paris.

Dem Eurovision Song Contest tat ihr Sieg jedenfalls gut, der Wettbewerb wurde nunmehr von zeitgemäßen und weniger angestaubten Balladen heimgesucht. Auch die Zuschauerzahlen stiegen kontinuierlich, der Contest 1965 wurde zudem erstmals auch im ehemaligen Ostblock ausgestrahlt und durch die u.a. in der Sowjetunion hinzugewonnenen Zuschauer verfolgten weltweit rund 150 Millionen Menschen die Show.

Die Teilnehmer:
01. - 032 -  France Gall - Poupée de cire, poupée de son 
02. - 026 - Kathy Kirby - I belong 
03. - 022 - Guy Mardel - N'avoue jamais 
04. - 016 - Udo Jürgens - Sag ihr, ich lass sie grüßen 
05. - 015 - Bobby Solo - Se piangi, se ridi 
06. - 011 - Butch Moore - I'm walking the streets in the rain 
07. - 010 -  Birgit Brüel - For din skyld 
08. - 008 -  Yovanna - Non, à jamais sans toi 
09. - 007 -  Marjorie Noel - Va dire à l'amour 
10. - 006 -  Ingvar Wixell - Absent friend 
11. - 005 - Conny van den Bos - 't is genoeg 
12. - 002 -  Vice Vukov - Čežnja 
13. - 001 - Kirsti Sparboe - Karusell 
13. - 001 -  Simone de Oliveira - Sol de inverno 
15. - 000 -  Conchita Bautista - Qué bueno, qué bueno 
15. - 000 -  Ulla Wiesner - Paradies, wo bist du? 
15. - 000 -  Lize Marke - Als het weer lente is 
15. - 000 -  Viktor Klimenko - Aurinko laskee länteen