Schweden - Die Trends in diesem Jahr beim Song Contest sind fliegende Frauen und nackte Männer jedweder Couleur. Auch heute wurde auf der Bühne in der Malmö Arena wieder ganz viel Haar geschüttelt, Frauen von stählernen Männerarmen hochgehalten und Fisimatenten mit runden Konstruktionen vorgeführt. Der vierte Probentag präsentierte die ersten Impressionen der zweiten Hälfte an Ländern im zweiten Halbfinale, angefangen bei Dons aus Lettland, der zwar ein Lied im Stil der Neuen Sachlichkeit präsentierte, optisch jedoch wie ein nicht ganz zu Ende angemalter Charakter aus der Blue Man Group ausschaut.
Pinker Punk wird von San Marino geboten. Megara erklärten im Vorfeld, man hätte sich kein weiteres Mal für das Festival von Benidorm beworben und freue sich, dass San Marino mit seinen liberalen Teilnahmebedingungen den Weg für ihren Song Contest-Auftritt geebnet haben. Auf den Backdrops bekommt man Drachen und dämonische Szenen zu sehen, im Vordergrund bewegt sich Sängerin Kenzy gemeinsam mit zwei Tänzerninnen, die aussehen wie Sorgenfresser, sich dann aber als Skelette outen. Interessant wenngleich sicherlich chancenlos.
Gemäß ihres Titels "Firefighter" fackelt die georgische Sängerin Nutsa Buzaladse eine ganze Batterie an Pyroeffekten ab. Zwischen Glutöfen und Feuerbällen versteckt sich ein mehr geschrienes als gesungenes Lied, dem ich allerdings gerne das Finale wünschen möchte. Auch Nutsa wird umgarnt von starken Männern, die ganze Nummer erinnert a weng an eine Art Ritual. Wenig später folgt Mustii aus Belgien, der sich in einer Art Gefängnis aus Mikrofonen klein macht, später dann aber aus sich heraus explodiert und, natürlich nur spärlich bekleidet, sein "Before the party's over" darbietet.
16 Jahre nach Kreisiraadio bietet Estland eine aussterbende Gattung von Beiträgen, nämlich den Altherren-Klamauk. Mit bizarren Gruppenchoreographien singen 5miinust & Puuluup den längsten Titel in der Song Contest-Geschichte, anders als bei vielen Beiträgen in diesem Jahr kommen hier die LED-Würfel besonders zur Geltung. Ob der Beitrag seine narkotisierende Wirkung entfaltet bleibt bis zum 9. Mai ein Geheimnis. Auf Estland folgt Israel, das in diesem Jahr wohl am meisten polarisiert, allein durch seine Teilnahme.
Eden Golan ist angehalten, außerhalb der Probentermine die meiste Zeit im Hotel zu verbringen, das Sicherheitsaufkommen immens. Von der Dramatik vor den Toren der Halle sieht man bei ihrer Darbietung jedoch nicht viel, in einer dystopischen Farbgebung findet man Eden Golan umringt von akrobatisch geübten Tänzern, auch hier kommt neben Bodennebel eine massive Radkonstruktion zum Einsatz. Der besungene "Hurricane" spiegelt sich im Hintergrund wieder, wo Farben vom Winde verweht werden. Trotzdem spürt man, dass der Beitrag eine gewisse Brisanz besitzt, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse.
Sehr düster geht es auch mit Norwegen weiter. Während man in Turin noch fröhliche Wölfe vom Mond über verzehrfertige Großmütter hat singen lassen, geht es nun um den Wolfspelz, auf Norwegisch. Von den heutigen Beiträgen sticht die abgedunkelte Performance am allerwenigsten ins Auge, musikalisch gewiss hochkarätig, immerhin handelt es sich um lyrische Texte, die schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben, würde der Gitarrist sein Instrument allerdings nicht mehrere Meter hochwerfen würde Norwegen fast schon in Vergessenheit geraten.
Na ja und dann waren da noch die Niederlande... Joost Klein trägt seinen Anzug im Stil der Europäischen Union aus dem Musikvideo mit spitzen Schulterpolstern, die Luna vor Neid erblassen lassen würden, einem Mann im Vogelkostüm und einem ebenso europäisch gekleideten Herren am Keyboard. Hinzu kommt das debile Grinsen des Interpreten und eine Portion Currywurst im Hintergrund. So endet nicht nur der Kölner Tatort sondern auch das zweite Halbfinale von Malmö. Man fragt sich allerdings, ob "Europapa" nun als Hommage oder als Satire auf Europa zu verstehen ist ist. Der Favoritenstatus der Niederlande wird mir immer noch nicht klar, vielleicht werde ich aber auch langsam zu alt für die Eurovision...
Sei's drum, die Halbfinalisten haben nunmehr alle geprobt und weil es so schön ist, geht es morgen mit den Kandidaten aus dem ersten Halbfinale wieder von vorne los. Immerhin versprechen die nächsten Tage etwas mehr Content, da man nun nicht nur kleine TikTok-Teaser sondern ggf. ein fülligeres Programm via Youtube zu sehen bekommt. Wir dürfen gespannt sein.
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Wenn Schlümpfe in den Rubber Club gehen: Dons aus Lettland |
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So sieht es aus, wenn man Netta bei Wish bestellt: San Marino |
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Zum Glück von der Freiwilligen Feuerwehr Tiflis beschützt: Nutsa Buzaladse |
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Und noch ein freier Torso: Mustii aus Belgien |
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Auch die älteren Herrschaften finden ihren Platz: Estland |
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Kombiniert Räder, nackte Männer und Hebefiguren: Eden Golan aus Israel |
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Düster und martialisch, aber fast schon langweilig bei der Konkurrenz: Norwegen |
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Den Vogel (Sinnbild) schießen aber die Niederlande ab |