Sonntag, 23. Mai 2021

Eurovision 2021: Erste schnelle Wertungsanalyse


Niederlande
- Räumen wir ein bisschen die zuletzt geposteten Ergebnisse aus den beiden Halbfinals und dem Finale auf, dann fallen gleich mehrere Nullen ins Auge und damit meine ich nicht nur die vier Televoting-Pleiten für die direkt für das Finale qualifizierten Beiträge aus dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Spanien und den Niederlanden, sondern auch die Tatsache, dass es die Tschechen irgendwie schwer haben, Anrufe für sich zu mobilisieren. Das Halbfinalergebnis von Benny Cristo setzt sich nämlich aus reinen Jurystimmen zusammen, darunter allein sechs Punkte aus Georgien. Georgien ist übrigens ein weiterer Extremfall, gab es im Juryvoting nur einen Punkt aus Bulgarien, von den Televotern waren es in der Summe immerhin 15 Zähler.

Im ersten Halbfinale war Australien das Opfer im Televoting, jeweils einen Punkt von Russland und der Ukraine waren das Ergebnis, von den Juroren gab es immerhin Anstandspunkte, zwölf aus der Ukraine und acht aus Litauen. Es folgt eine große Schere, danach folgen zwei Punkte aus Kroatien und Rumänien und immerhin noch ein Gnadenpunkt von der deutschen und russischen Jury. Ähnlich mager war das Televoting-Outcome von Irland, Lesley Roy erhielt zwei Punkte aus Australien und je einen Punkt aus Litauen und Malta, die Juroren boten immerhin 16 Punkte. Damit blieb es jedoch auch beim letzten Platz für "Maps".

Nordmazedonien rettete sich alleine mit Televotingstimmen vom Balkan und zwölf Jurypunkten auf den vorletzten Platz. Deutschland vergab im Halbfinale übrigens wie auch im Finale zwölf Televotingstimmen an Litauen, zehn an die Ukraine und acht nach Malta. Die deutsche Jury favorisierte Schweden mit zwölf Punkten, gefolgt von Malta, der Ukraine und Russland. Im Finale gaben die Zuschauer aus Deutschland ebenfalls zwölf Punkte an The Roop, gefolgt von Barbara Pravi aus Frankreich mit zehn Zählern, Finnland, Italien, Island, Russland, Ukraine, Serbien, der Schweiz und ein Punkt für Norwegen. Wie schon eben im Abspann aus Hamburg erwähnt, favorisierte die deutsche Jury Frankreich, wenngleich nicht ein Jurymitglied "Voilà" direkt auf der Eins hatte.

Jendrik erhielt zwei Punkte aus der österreichischen Jurywertung und einen Punkt aus Rumänien. Die übrigen Nationen ließen sich nicht überzeugen Deutschland einen Punkt zu geben, am nächsten war noch die litauische Jury, die Deutschland auf den zwölften Platz einsortierte und die Zuschauer aus Frankreich und ebenfalls Litauen, die Jendrik auf dem 13. Platz hatten. Eine Klatsche gab es dafür aus den Niederlanden, Platz 18 im Televoting und den letzten Platz im Juryvoting für "I don't feel hate". Wobei es die Niederlande selbst auch nicht wirklich besser traf im Finale. Ohne Juries hätten gleich vier Interpreten heute Abend punktelos dagestanden.

Da ich es als eine der größten Ungerechtigkeiten aller Zeiten empfinde, dass Dänemark nicht ins Finale eingerückt ist, habe ich mir hier auch noch einmal die Punkteverteilung angesehen und siehe da, es kam im Televoting herausragend gut an und wäre bei reinem Televoting auf dem achten Platz gelandet. Anders als bei den Juroren, die insgesamt nur neun Punkte übrig hatten, erhielten Fyr og Flamme 80 Punkte im Televoting, darunter zwölf aus Island und jeweils acht aus Finnland und Estland. Im zweiten Halbfinale kamen die Top Ten der Juroren in die Endrunde, während im Televoting Dänemark statt Albanien weitergekommen wäre.

Im ersten Halbfinale flogen mit Kroatien und Rumänien zwei Nationen raus, die von den Fans größtenteils auch unterstützt wurden. Im Fall von Kroatien vergaben die Zuschauer 53 Punkte, die Juroren 57 Punkte. Bei Rumänien ist es mit 27 Tele- zu 58 Jurypunkten sogar noch deutlicher. Im Vergleich dazu erhielt Tix aus Norwegen im Televoting 77 und im Juryvoting nur 38 Punkte, was zum Weiterkommen reichte. Belgien hingegen erhielt im Juryvoting 70 Punkte und 47 bei den Zuschauern. Bei reinem Televoting im Halbfinale hätte es Norwegen also auch ins Finale geschafft, die Juroren verhinderten durch die Wertungen an Belgien jedoch, dass Kroatien ins Finale einzieht, was weiter unten im Posting im Finale noch mal aufgegriffen wird.

Was mich noch einmal ins zweite Halbfinale und zu San Marino führt.  Das Land hat wahnsinnig viel Geld in die Show gesteckt, ist dann im Televoting aber krachend untergegangen. Im Halbfinale gab es 42 von 118 Punkten aus dem Televoting, im Finale waren es sogar nur 13 Televotingstimmen, nämlich sieben aus Georgien und jeweils drei aus Italien und Aserbaidschan zu 37 Jurystimmen, darunter eine Zwölf aus Polen. Das sanmarinesische "Televoting" setzte sich im Finale übrigens aus zwölf Punkten für Italien, zehn für Frankreich und acht für Zypern zusammen. Welche Länder hier als Referenzen genommen wurden um das Ranking zu kreieren ist mir heute Nacht aber zu umständlich auszurechnen. Für Senhit und Flo Rida reichte es am Ende jedenfalls nur für Platz 22, womit sie Serhat nicht verdrängt, der mit Platz 19 in Tel Aviv doch vor ihr lag.

Schauen wir uns im Finale noch die Favoriten im Televoting an. Während die Jurys aus den 39 Nationen Gjon's Tears für die Schweiz ganz vorne sahen, der damit die Nachfolge von Tamara Todevska als Jurysieger antritt, gewann in diesem Jahr mal wieder der Televotingsieger. Måneskin kassierten 318 Televotingpunkte, 51 Punkte mehr als die Zweitplatzierten im Televoting von Go_A aus der Ukraine. Bei den Juroren fiel die Ukraine ein wenig hinten rüber, nur 97 Zähler konnte "Shum" verbuchen, am Ende reichte es aber für den fünften Platz. Die französische Wertung ist mit 248 Jury- und 251 Zuschauerstimmen recht ausgeglichen. Eine deutliche Schere klafft aber bei Finnland (83 Jury- und 218 Televotingstimmen) sowie bei Litauen (55 Jury- zu 165 Televotingstimmen).

Die größte Differenz, in dem die Juroren deutlich mehr Punkte vergeben haben, findet man bei Malta. Ich hätte Destiny im Televoting tatsächlich wesentlich besser eingeschätzt. Tatsächlich gab es aber nur 47 Televotingpunkte, verglichen zu 208 im Juryvoting. Malta schlägt in diesem Jahr also den Weg von John Lundvik ein und galt als Juryliebling. Nicht ganz so krass aber immer noch auffällig ist auch die Differenz bei Bulgarien (Jury: 140, Tele: 30), Portugal (Jury: 126, Tele: 27) und Belgien (Jury: 71, Tele: 3). Während Bulgarien und Portugal im Halbfinale auch ohne Juryhilfe die Endrunde erreicht hätten, wäre Belgien nicht vertreten gewesen.

Da Armenien in diesem Jahr fehlt, habe ich mir andere Konfliktnationen herausgepickt und bin beim politischen Dauerzwist zwischen der Ukraine und Russland hängen geblieben. Die russischen Televoter sieben Punkte im Finale an Go_A vergaben, lag "Shum" bei den Juroren nur auf Platz 13. Letzter im russischen Juryvoting wurde übrigen Spanien. Auf der anderen Seite erhielt Manizha von den ukrainischen Zuschauern vier Punkte, bei den ukrainischen Juroren war der Song aber faktisch nicht existent. Drei der fünf Juroren setzten Manizha auf den den 25. und damit letzten Platz. Ähnliches spielte sich bei den georgischen Juroren ab, dort wurde Russland zweimal auf Rang 26 und einmal auf den 25 Platz votiert, während es im Televoting vier Punkte gab. 

So viel zunächst von den Zahlenspielen aus den Katakomben der Europäischen Rundfunkunion. Die detaillierten Ergebnisse jeden einzelnen Jurors und jedes einzelne Televoting kann man sich hier bei Eurovision.tv anschauen. Mit Klick auf "Jury" sieht man übrigens auch, wer in den 39 Nationen das Gremium gebildet hat, das 50% am Endergebnis ausgemacht hat. So waren auch in diesem Jahr wieder diverse Altstars mit dabei, z.B. Pænda für Österreich, Kate Ryan für Belgien, Ira Losco für Malta,  Aleksander Walmann in Norwegen und Nuša Derenda in Slowenien. Und mit diesen Zahlenspielen verabschiede ich mich für's Erste ins Bett.

PS: Mit seinem dritten Sieg verdrängt Italien Deutschland übrigens aus den Top Ten im Ewigen Medaillenspiegel und steht nun an achter Stelle. Frankreich holt sein bestes Ergebnis seit dreißig Jahren, zuletzt wurde, wie Carola uns ja eindrucksvoll bei ihrer Punktevergabe erklärte, Amina 1991 in Rom Zweite. Ähnlich lange her ist der letzte Triumph für die Schweiz, zuletzt wurde Annie Cotton 1993 Dritte. Weitere Bestmarken wurden nicht geknackt, weder Litauen noch San Marino konnten ihre bisherigen Topplatzierungen verbessern, LT United und Serhat bleiben in ihren Ländern ungeschlagen. Die aktualisierte ewige Tabelle gibt es hier und in Zukunft oben unter dem weißen Reiter.