Sonntag, 31. März 2019

Gold: So läuft das neue Wertungssystem



Europa - Der Eurovision Song Contest hat in seiner 64jährigen Geschichte diverse Wertungsmechanismen über sich ergehen lassen müssen und auch in diesem Jahr macht die EBU nicht Halt vor neuen Änderungen. Das grundsätzliche Konzept bleibt zwar erhalten, zunächst werden die Spokespersons aus 41 Ländern die Punkte der Jury vergeben, danach sind die Publikumsstimmen an der Reihe. Hier hat die Rundfunkunion aber den Korrekturstift angesetzt.

Stellten das neue Voting vor:
Måns & Petra
Statt die Punkte in ihrer Wertigkeit steigend zu präsentieren ("From the lowest to the highest", Zitat Petra Mede), wird das Feld nunmehr von hinten aufgeräumt. Dies bietet einen anderen Blick auf die Verteilung der Punkte, macht es aber schwieriger auf Anhieb zu sehen, wer das Televoting gewonnen hat und auch, welche Nationen am wenigsten Punkte bei den Zuschauern erreicht haben. Findige Eurovisionsfans haben sich, wie im unten stehenden Video zu sehen ist, das Voting von Lissabon vorgeknöpft, und die Punktevergabe nach dem neuen Modus zusammengeklebt.

Unvoreingenommen habe ich mir dieses Video angeschaut und stelle dabei fest, dass es sowohl Vor- als auch Nachteile gibt. In den Anfängen wird schnell klar, dass es im Keller zumindest solange spannend bleibt, bis das erste Land, das seine Punkte erhalten hat wieder am Boden der Tabelle angekommen ist. Danach folgt das Mittelfeld, dessen Präsentation ähnlich "unspektakulär" verläuft, wie bereits in den vergangenen drei Jahren. Spannend wird es dann erst zum Schluss, wenn wirklich nur noch die Top Ten des Juryvotings ausstehen. Dennoch birgt dies die Gefahr, dass sich der Sieger bereits lange zuvor an der Spitze festgesetzt hat.

2017 gab es so oder so kein
spannendes Voting
Natürlich hatte auch das alte Format dieses Problem, wir erinnern uns an Portugal 2017, als Salvador Sobral einen derart enormen Vorsprung hatte, dass er von niemandem mehr eingeholt werden konnte und schlussendlich auch das Televoting mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Einen wirklichen Spannungseffekt kann das Voting also ohnehin nur dann haben, wenn sich Juroren und Zuschauer uneinig sind. So geschehen ist dies 2016, als Jamala und Sergey Lazarev bis zuletzt zittern mussten, ob es für ihren jeweiligen Titel zum Sieg reichte.

Ich kann verstehen, warum diese Veränderung getroffen wurde, ich stelle aber auch fest, dass es sich nicht um ein nicht vollständig ausgereiftes System handelt. Den größtmöglichen Spannungsbogen wurde der Wettbewerb erhalten, wenn die Punkte mehr oder weniger willkürlich präsentiert werden, ähnlich wie dies schon auf Basis der Jurypunkte seit Jahren passiert. Dort wird die Reihenfolge, wer wann aufgerufen wird, nach dramaturgischen Gesichtspunkten gestaltet. Die Jurypunkte stehen allerdings schon am Tag zuvor fest, sodass man die notwendige Zeit hat, um auszurechnen, wie man die Jurys setzen muss, um die vordere Tabellenhälfte spannend zu gestalten.

Bis zuletzt knisterte es beim
ESC 2016 zwischen Russland
und der Ukraine
Diese Zeit fehlt während des Finales beim Eurovision Song Contest. Ein solcher Modus für das Televoting wäre also nicht machbar und würde zudem noch viel mehr verwirren, wenn plötzlich Nationen, die im Mittelfeld liegen, ihre Punkte erhalten und unter ihnen noch Länder auf ihre Punkte warten. Wir werden also abwarten müssen, wie sich das Voting am 18. Mai gestaltet, danach kann die EBU ihr Fazit ziehen. Kritisiert wird von Fans auch immer wieder, dass die Jurypunkte vielen herzlich egal sind, da dort fünf Personen entscheiden, die zwar auch 50% ausmachen, im Vergleich zum Wertungsverhalten von Zuschauern jedoch relativ anonym sind.

Daher wünschen sich viele Fans eher, dass die Jurywertungen auf das Tableu geklatscht werden, man sich für die Zuschauerstimmen dann aber mehr Zeit lässt und diese einzeln aufruft. Aufgrund der Sendezeit ist dies aber ebenfalls nicht möglich. Während die Jurypunkte vorgetragen werden, laufen bei der Europäischen Rundfunkunion erst die Televotingpunkte ein, die Drähte glühen und nicht umsonst wird Jon Ola Sand nach der Juryabstimmung gefragt, ob es ein "valid result" gibt. Den meisten Zuschauern, abgesehen von Fans und Statistik-Nerds dürfte es ohnehin relativ egal sein, welchem Land das kroatische Publikum die meisten Punkte gegeben hat.

"Take it away!"
Zum bietet es der Europäischen Rundfunkunion die Chance mögliche Nachbarschaftspunkte im Televoting zu verwischen, da nur eine Gesamtsumme der Punkte eingeblendet wird. Zu sehen, dass die Juroren ebenfalls befreundeten Nationen mit ähnlichen Musikpräferenzen Punkte zuschustern können, lässt sich dabei nicht vermeiden. Die Möglichkeit, die einzelnen Televotingpunkte bis ins kleinste Detail auseinanderzunehmen besteht ohnehin wenige Stunden nach dem Finale auf der offiziellen Website der Eurovision. Wem Deutschland die Höchstwertung gibt, erfahren wir durch eine separate Einblendung, das dürfte den meisten Zuschauern ausreichen.

Nun lassen wir es am 18. Mai darauf ankommen, wie dieses neue Format funktioniert und wie groß der tatsächliche Nutzen der Änderung ist oder ob sich die Präsentation zu sehr verzettelt. Anhand der Grafikmontage von Lissabon 2018 lässt sich aber schon gut ausmachen, was da in sieben Wochen auf uns zukommt. Wie ist eure Meinung zur neuen Bekanntgabe? Hat sich die Eurovision damit einen Gefallen getan, ist das alte Format besser oder sollte man dem Mechanismus erst einmal eine Chance geben sich zu beweisen? Wir sind gespannt.

Eurovision 2018 mit neuem Televoting-System