Mittwoch, 9. Mai 2018

Tag 11: Zusammenfassung vom 1. Semifinale in Lissabon



Portugal - Was für ein gelungener Auftakt beim diesjährigen Eurovision Song Contest. Gestern Abend führten Sílvia Alberto, Daniela Ruah, Catarina Furtado und Filomena Cautela als Greenroom-Moderatorin durch den ersten Abend und lieferten eine Moderation die in weiten Teilen okay war und sich im Vergleich zum Vorjahr in Kiew auch deutlich gesteigert hat. Dennoch wirkte alles noch ein bisschen steif, das war es z.B. 2011 in Düsseldorf aber auch, da kommt noch mehr Elan rein. Die Slapstick- und die Comedy-Einlagen waren allerdings unheimlich, insbesondere die "Doku" namens "Planet Portugal" hätte es nicht gebraucht. Die Postkarten-Filmchen, bei der die Interpreten durch Türen in Portugal auftauchen und in landestypische Kulissen hereinplatzten, waren ganz süß gemacht, Touristenwerbung und Künstler erfolgreich eingebunden.

Ansonsten fehlten die LEDs keinesfalls, jeder Beitrag hatte in seiner Inszenierung einen ganz eigenen Charme. Etwas störend war die Effektierung durch die CGI-Graphiken, die mir vor allem bei Weißrussland mit dem Regen an Rosenblättern und bei den Sparkling-Einstellungen bei Aserbaidschan too much waren. Manchmal ist weniger mehr, beide Nationen haben es auch nicht ins Finale geschafft. Eröffnet wurde der Beitragsreigen durch ein Schiffshorn. Für Aserbaidschan, das das Semifinale eröffnete, ist es der Abbruch einer 100%igen Durchmarschquote. Aisel war gut, aber eben nicht wirklich überzeugend, man klettert eben nicht barfuß auf Eisberge.

Bei Weißrussland war die Überraschung weniger groß, mit zittriger Hand lieferte Alekseev die Rose bei der Kamera ab, die übergab sie an die Tänzerin, welche sie per Bogen auf den weißrussischen Sänger zurückfeuerte. Es war zu überladen, zu dramatisch inszeniert und am Ende doch zu schwach gesungen, als das es einen Finalplatz verdient hätte. Überraschender war da schon das Aus von Armenien, wenngleich "Qami" wohl in der Masse an qualitativ hochwertigen Beiträgen ausschied. Armenien und Aserbaidschan können sich damit beide im Finale nicht auf den 25. Platz herunterwerten. Dies wird aber zumindest im Semi der Fall gewesen sein. Die kaukasischen Hoffnungen ruhen morgen auf Georgien.

Mit jeweils souveränen Leistungen sind dafür Eugent Bushpepa aus Albanien mit seinem Rocksong "Mall" und die zerbrechlich wirkende Ieva Zasimauskaitė aus Litauen ins Finale eingezogen. Für Albanien ist es die erste Finalteilnahme seit 2015, Litauen ist nach einjähriger Pause wieder im Finale dabei. Beiden hat man abgenommen, dass sie das, was sie auf der Bühne abliefern auch ernst meinen. Sennek aus Belgien hingegen wirkte farblos. Sie nutzte den Außenring der Bühne und stand inmitten der Fans, erst abgedunkelt, später hell erleuchtet. Trotzdem war "A matter of time" keine Sternstunde, vor allem Senneks Stimme ging unter, sodass Belgien vom Mitfavoriten zur begründeterweise ausgeschiedenen Nation abstieg. Dies zeichnete sich während der Proben bereits ab.

Keine Überraschung war allerdings das Weiterkommen von Elina Netšajeva aus Estland. Sie konnte in den höchsten Höhen auf den Punkt überzeugen. Der Opernsong "La forza" bringt Estland nach zweijähriger Pause zurecht wieder in die Endrunde. Ich werde mit dem Lied zwar immer noch nicht warm, auch wenn das Lichtspiel auf ihrem Kleid beeindruckend war, fand ihre Leistung aber astrein. Ähnlich verhält es sich bei "Bones" aus Bulgarien. Equinox lieferten eine fehlerfreie Performance ab, die zwar etwas unterkühlt wirkte, dennoch genug Anhänger gefunden hat, um Samstag die Erfolgsserie Bulgariens fortzusetzen.

Wie erwartet hat es für Ari Ólafsson aus Island nicht gereicht. Sichtlich bewegt, dass sein großer Eurovisionsmoment endlich gekommen war, hatte er am Ende feuchte Augen. Gesanglich einwandfrei, am Anfang vielleicht etwas zu still, wurde Ari Opfer seines langweiligen Liedes. Wie Peter Urban tatsächlich richtig anmerkte, kann Ari super singen, das Lied war aber altbacken. Dennoch glaube ich, dass Island stolz auf sein Nachwuchstalent sein kann und man ihn vielleicht eines Tages mit einer Nummer nochmals antreten lässt, die seiner Stimme auch würdig ist. Außerhalb seiner drei Minuten machte Ari jeden Spaß mit, war immer gut gelaunt und nah an seinen Fans. Solche Musiker braucht es beim Eurovision Song Contest.

Sein Best Buddy, Ryan O'Shaughnessy aus Irland, sorgte hingegen für einen wundervollen Überraschungsmoment am Ende der Bekanntgabe der Finalisten. Irland ist endlich seit 2013 wieder in der Endrunde dabei und das völlig zurecht. Kein Frage, die Tanzchoreographie der beiden verliebten Jungs hat erheblich dazu beigetragen, dass Irland im Finale ist. Doch auch der Rest der Show sowie Ryans zurückgenommene und sanfte Art zu Singen, überzeugten positiv, sodass man sich für Irland und sein Team wirklich freuen kann. Den kleinen Spoiler der Moderatorinnen "We should say it together" vor der Bekanntgabe des letzten Finalisten hat vermutlich niemand mitbekommen, da wohl mehr an Irland glaubt hat. Und auch Österreich zieht berechtigterweise ins Finale ein, Cesár war super, viel mehr kann man dazu gar nicht sagen.

Finnland hat es auch seit 2014 mal wieder ins Finale geschafft. Dafür hatte man den aktuell gefragtesten Popstar des Landes verpflichtet und Saara Aalto merkte man bei ihrer Darbietung von "Monsters" auch an, dass sie Spaß hat und zur Eurovision gehört. Die Show mit der Drehscheibe und ihre phasenweise piepsige Stimme sind mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack, der Finaleinzug geht aber in Ordnung. Finnland kann nun eigentlich nur noch gewinnen, das Minimalziel dürfte erfüllt sein. Im Finale wird Saara aber vermutlich eher auf die hinteren Mittelfeldplätzen zusteuern, an der Spitze hat die Nummer dann doch nichts zu suchen.

Die Favoriten des Abends haben es souverän gemeistert. Netta Barzilai hat vielleicht auch heute wieder ein paar Federn lassen müssen, brachte Israel aber logischerweise einen Finalplatz ein. Mikolas Josef aus Tschechien verzichtete auf seinen Backflip, lieferte dennoch eine tolle Tanzshow ab, die insbesondere durch die Kamerafahrten sehr an das Video anlehnte. Lediglich die Mikros der Backingsänger sollten ein My leiser gestellt werden. Tschechien hat sein Trauma überwunden und ist nach 2016 zum zweiten Mal im Finale vertreten, wo für Mikolas garantiert eine hervorragende Platzierung herausspringen wird. 

Eleni Foureira rutschte kurz vor dem Semifinale noch an Quotenkönigin Netta aus Israel vorbei, die ohnehin schon wieder komplett umgekrempelt wurden. Sie lieferte die beste Tanzchoreographie des Abends ab, war dabei aber trotzdem gut bei Stimme. Wie kräftezehrend die Show zu "Fuego" ist zeigte aber ihre Kurzatmigkeit, nachdem sie fertig war. Trotzdem bleibt Zypern ganz weit oben im Favoritenkreis und dürfte Samstag beste Chancen haben, das beste Ergebnis für die Mittelmeerinsel einzufahren, die neben Malta am längsten auf den Eurovisionssieg wartet. 

Ihre Landsfrau Yianna Terzis für Griechenland hingegen kann schon die Heimreise antreten. Mit Drama, Pathos und Rauchfontänen, die sie in ihren Bewegungsablauf gekonnte einbringen konnte, reicht es trotz Zypern und sämtlicher Nachbarländer im Semifinale nicht für einen Platz unter den besten Zehn, was wohl auch eine kleine Überraschung darstellt. Ich bin sicher, dass die Senderverantwortlichen in Athen sich nun in den Hintern beißen werden, dass sie sich die Gelegenheit mit Eleni Foureira haben durch die Lappen gehen lassen. Mir persönlich fehlt Griechenland nun auch nicht unbedingt im Finale, es ist das zweite Semifinal-Aus in drei Jahren, früher undenkbar.

Leid tut es mir um Mazedonien. Da hat der Sender schon das nötige Geld für die Teilnahme im letzten Moment mobilisieren können, an sich auch ein ganz vernünftiges Lied ausgewählt und dann live alles zerstört. Eye Cue waren zwar auch gut, aber in diesem Halbfinale reicht "gut" eben nicht aus. In Hinblick auf das nächste Jahr müssen wir um Mazedonien wohl nun erneut zittern, in Skopje wird man abwägen, ob sich eine Auszeit anbietet oder ob man es weiterhin riskiert teilzunehmen und unterzugehen. Die Gefahr dürfte bei Kroatien geringer sein. Franka schaffte es zwar trotz überzeugender Leistung nicht ins Finale, ein ordentlicher elfter oder zwölfter Platz dürfte aber drin gewesen sein.

Die allergrößte Enttäuschung dürften aber die Schweizer Zuschauer gestern Abend erlebt haben. Zibbz, das sympathischste Duo des Wettbewerbs, waren fantastisch! Wäre die Schweiz im zweiten Halbfinale dabei gewesen, hätte es mit der Qualifikation sicherlich gereicht. Coco und ihr Bruder Stee haben Stimmung gemacht, der brennende Bengalo wirkte am Fernseher perfekt, das Publikum hat mitgespielt und seine Arme in die Höhe gestreckt. Es ist schade um "Stones" und tut mir für die Schweiz unendlich leid. Allen Negativstimmen zum Trotz, die zwischen Basel und Zermatt nun den Rückzug fordern werden, kann die Schweiz mega stolz auf die beiden sein.

Es war unvermeidlich, dass es einige gute Lieder in diesem Halbfinale trifft und wir nicht alle mit in die Endrunde nehmen können. So sind die Spielregeln des Eurovision Song Contests... am Ende geht das Ergebnis aber völlig in Ordnung. Qualität hat sich durchgesetzt, pompöse Shows á la Weißrussland oder Aserbaidschan wurden ignoriert und die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Allein Österreich hat seit 2014 das Finale konsequent mitgestaltet, Bulgarien seit drei Jahren ebenfalls. Diese Länder hatten lange Zeit beim Eurovision Song Contest nichts zu lachen, sodass es Ansporn für die Länder sein dürfte, die noch auf ihren großen Moment warten, etwa Mazedonien oder auch Island.

Heute ist, was die TV-Übertragung angeht, Ruhetag. Am Nachmittag findet die erste Generalprobe des zweiten Semifinals statt, am Abend gilt es für die 18 Teilnehmer dann bei der zweiten Generalprobe die Juroren zu überzeugen, die 50% des Endergebnisses ausmachen. Es bleibt weiterhin spannend, die Grundlage für ein fantastisches Finale ist aber gestern Abend schon gelegt worden. 

Die vier Moderatorinnen wirkten zum Teil noch etwas reserviert
Die Halle aus der Totale
Bringt Österreich wieder weiter: Cesár Sampson | Ebenfalls Samstag dabei, Equinox
Zucken die Schultern und winken zum Abschieden: Aisel und Yianna sind beide draußen
Sorgten für ein wenig Überraschung: Ieva und Eugent sind beide Samstag dabei
Kein Wunder hingegen, dass Israel sich qualifizieren konnte: Netta Barzilai
Hatte am Ende Tränen in den Augen: Für Ari Ólafsson hat es leider nicht gereicht
Die verstörende Nummer aus Belarus und das unkoordinierte Lied aus Mazedonien sind auch raus
Treten ebenfalls die Heimreise an: Sevak Khanagian aus Armenien und Franka aus Kroatien
Girl-Power setzt sich durch: Eleni aus Zypern und Saara aus Finnland sind im Finale
"You're cheating", den ESC gibt's nun auch als Brettspiel | Grafiken des diesjährigen Jahrgangs
Österreich qualifiziert sich als Erstes | Freude auch bei Ieva und dem litauischen Team
Kann ihr Glück nicht fassen: Saara Aalto | Lächelte bis zum Schluss: Alekseev
Der Blick von Coco sagt alles.. die Schweiz ist draußen | Lange Gesichter auch bei Mazedonien
Diese zehn Kandidaten sehen wir am Samstag im großen Finale wieder