Sonntag, 18. Dezember 2016

Eurovision am Sonntag (52)


Europa - Weihnachten naht heran, zuvor wählen die Albaner noch ihren Beitrag für den Eurovision Song Contest 2017. Für viele Fans des Eurovision Song Contests wird es der Auftakt für eine fröhliche und spannende Saison. 43 Länder strecken ihre Fühler nach dem Sieg in Kiew aus. Und zugleich werden 42 von ihnen an dieser Aufgabe scheitern. Zählt immer nur der Sieg?

Als ich diese Seite im Jahr 2007 aufgebaut habe, lange vor dem Umzug auf die jetzige Plattform, habe ich häufig flapsig über einige Interpreten gesprochen und geschrieben, das wäre ja Müll, wie kann man nur? Dabei muss man ganz klar sagen, dass jeder der Interpreten zumeist mit ganzem Herzblut bei der Sache war, sein Projekt zu verwirklichen. Auch wenn wir musikalisch nicht d'accord sind mit einer tschechischen Metalband oder einem Jodeltrupp aus Slowenien.

Der Eurovision Song Contest ist so vielfältig wie das Leben, aus einem Teil Europas kommen herbe Enttäuschungen, aus anderen Teilen das, was wir erwarten und aus anderen Ecken ungeahnte Überraschungen über die wir uns Freuen. Es sind die Vorurteile, die uns glauben machen, auch ein schwächer gestelltes Land, könne nicht überzeugen. Wer hier regelmäßig mitliest weiß, dass ich stets über die gezogenen Auswahlen in Litauen schimpfe, doch wenn es ihnen hilft, etwas Gutes auszuwählen, dann sei es so.

In der Weihnachtszeit denkt man viel über andere nach. Eigentlich ist das etwas, was man das ganze Jahr über tun sollte. Man kann nicht erwarten, dass einem das Leben das vor die Füße wirft, was man gerne hätte, man muss auch schon etwas dafür tun, Kontakte pflegen, Freundschaften aufbauen. So verhält es sich auch mit dem Beitrag für den Eurovision Song Contest, man muss etwas dafür tun, damit man gehört und geliebt wird. Ein produzierter Song kann noch so gut sein, wenn das Drumherum nicht stimmt und man keine Hörer findet.

Und dabei geht es auch um Veränderungen. Man kann natürlich immer so weitermachen wie bisher, keine Veränderungen zulassen, weil man glaubt, das Erfolgsrezept gefunden zu haben. Dass das häufig nicht der Fall ist, zeigen Beispiele aus Lettland, die mit ihrer Eirodziesma regelmäßig Beiträge auswählten, die mit enttäuschenden Ergebnissen heimkehrten. Manchmal muss man aber auch Veränderungen zulassen, auch wenn man sich schwer tut, kann gerade ein Wechsel bekannter Rituale dazu dienen, auf der Erfolgsspur zu bleiben. Man muss es nur rechtzeitig erkennen.

Manchmal entwickelt sich daraus eine Eigendynamik, wie eben in Lettland. Manchmal ist es einfach ein Glücksgriff, manchmal ist es auch einfach nur ein Schuss in den Ofen, Großbritanniens Vorentscheid in diesem Jahr war eine Umgestaltung, fort vom Zeitalter der Finsternis, als intern irgendetwas ausgewählt wurde, womit dann am Ende niemand zufrieden war, funktioniert hat es dennoch nicht. Veränderungen sind auch ein Risiko, die Briten haben es zumindest versucht, es hätte genauso gut klappen können.

Nun steht die neue Saison bevor, viele Abläufe bleiben gleich, vieles wird sich ändern. Bestimmt wird es ein toller Jahrgang, einige bleiben auf der Erfolgsspur, Schweden kann ich mir außerhalb der Top Ten nicht vorstellen bei der Line Up, einige werden einen Neuanfang wagen, das ist privat genauso wie bei den Rundfunkanstalten in Europa. Musik soll und wird immer Leute ansprechen, egal aus welchem Genre der Titel kommt. Im Radio hat man sich an einigen Liedern sattgehört, weil sie zugrunde gespielt wurden, andere entdeckt man neu für sich. 

Genannt sei aus meiner Sicht ein Beispiel, das nichts mit dem Song Contest zu tun hat: "Ain't your mama" von Jennifer Lopez. Im Sommer habe ich diesen Titel gehört und fand ihn toll. Im Urlaub auf Usedom lief er bei jeder Gelegenheit, auf der Autobahnfahrt dorthin, in Restaurants, im Morgenprogramm des lokalen Radiosenders. Später lief er ebenfalls bei gefühlt jeder Fahrt, die ich unternommen habe bei Radio Hamburg, morgens zur S-Bahn, abends zurück. Da konnte man es irgendwann nicht mehr hören. Andere Lieder kamen dafür viel zu kurz, auch wenn sie bestimmt genauso toll sind.

Das Jahr 2016 hat viele Mainstream-Lieder geschaffen, die irgendwie alle gleich klingen und bei denen es mich gar nicht mehr interessiert, wer es überhaupt singt. Und dann sind da die Lieder, die selten bis gar nicht gespielt werden und trotzdem gleich beim ersten Hören etwas in einem Auslösen. Die Lieder mit denen man persönliche Geschichten verbindet. Und da wird einem klar, dass jeder Musikstil seine Anhänger findet, so auch beim Song Contest. Von daher sollte man vielleicht diese pauschalen Urteile über einen Vorentscheid, einen Siegertitel, eine Performance überdenken, die Macher und Entscheidungsträger werden sich dabei schon etwas gedacht haben.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern einen schönen vierten Advent und viele gute Lieder im neuen Jahr. Das Leben und der Wettbewerb gehen weiter, auch für die Länder, die 2016 enttäuscht aus Stockholm abgereist sind...