Montag, 3. Oktober 2016

Euronight: 39 oder 46, Europa auf dem Weg nach Kiew



Europa - Eine Handvoll Nationen hält sich bei der Bestätigung bzw. Absage ihrer Eurovisionsteilnahme 2017 noch bedeckt. Heute kam Georgien hinzu, auch im nächsten Jahr wird es "Tbilissi calling" heißen. Nach momentanem Durchzählen und unter Berücksichtigung der russischen Teilnahme, die durch das ukrainische Fernsehen bestätigt wurde, komme ich beim Durchzählen auf 39 Nationen.

Da ist noch ein bisschen Luft nach oben und in der Vergangenheit auch, heißen die Spätzünder wieder Moldawien und Serbien. Beide Länder, die nicht unbedingt die finanziell bestgestellten Rundfunkanstalten des Kontinents beheimaten, dürften früher oder später aber ihre Pläne für die nächste Saison offen legen. Moldawien muss sich nach drei Pleiten im Semifinale aber allmählich auch etwas einfallen lassen, um Europa mal wieder zu beeindrucken.

Das erotischste Saxophon beim
Song Contest: Moldawien 2010
Und nachdem sich das rumänische Fernsehen TVR zumindest vorläufig auf die Teilnehmerliste der EBU hat setzen lassen, dürfte das Okay aus Chisinau nicht lange auf sich warten lassen. Allerdings müsste dort am nationalen Vorentscheid etwas gedreht werden, das System dort scheint in einem Fünf-Jahres-Plan abgesegnet worden zu sein und bietet keinerlei Innovation, der letzte, blutleere Titel von Lidia Isaac spricht Bände. Abgesehen vom Epic Sax Guy, der 2010 sehr zur Belustigung beigetragen hat und der Trommeloma von 2005, hat Moldawien mein musikalisches Zentrum bisher eher selten erreicht.

Serbien hingegen liefert im Regelfall qualitativ gut ab, Sanja Vučić in Stockholm war zwar kein Top Ten-Beitrag, das Lied hatte aber Hand und Fuß, ebenso der bombastische Auftritt von Bojana Stamenov im Jahr zuvor. Wenn Serbien im Semifinale rausflog, was bisher zweimal passiert ist, dann auch zu Recht. Und dabei muss der Sender RTS nicht nur auf Željko Joksimović zurückgreifen, die Komponistenfülle auf dem Balkan ist gut besetzt und dürfte auch 2017 noch etwas hergeben. Ob San Marino allerdings noch einmal durchstarten wird, bleibt abzuwarten.

Sang häufiger im ZDF als beim
ESC: Serhat (San Marino 2016)
Der letzte Zwergstaat, der sich der Eurovision stellt, ist ein Fanfavorit, Serhat hat quasi posthum seinen Marktwert gesteigert und insbesondere das ZDF scheint ihn lieb gewonnen zu haben, ansonsten hätte man ihn nicht zur besten Sendezeit nach zwei Auftritten im Fernsehgarten auch noch bei Carmen Nebel auftreten lassen. Allerdings ist es gerade das sanmarinesische Fernsehen, das sich unzufrieden zeigt. Hatte man als Underdog immer seine Chancen gesucht und zumindest einmal mit Valentina Monetta genutzt, scheint es, als würden die Organisatoren gegen San Marino arbeiten.

Es begann mit dem dubiosen "Televoting", dass die EBU dem Land verpasst hat und endete, so die Spione, bei nicht umgesetzten Ideen bei der Präsentation von Serhats Beitrag. Ähnlich wie im Fall Monacos damals schwindet der Zuspruch für die Teilnahme senderintern, es bleibt aber doch noch der Hoffnungsfunken, dass SMRTV an sich glaubt und seine Teilnahme 2017 offen bekanntgibt. Tja und dann wären da noch die Sorgenkinder, über die jedes Jahr viel spekuliert wird...

...die Türkei hat heute ihren Ausnahmezustand verlängert, zeigt sich momentan nicht unbedingt Europa zugewandt und dürfte wohl auch im kommenden Jahr außen vor bleiben. Die Slowakei tendiert ebenfalls eher in Richtung Absage, wenngleich man den Song Contest für eine interessante Möglichkeit hält, sich zu präsentieren und durch die erstmalige tschechische Finalteilnahme durchaus Blut geleckt haben dürfte. Dennoch und das sage ich ohne die rosarote Brille eines Slowakei-Freundes, halte ich eine Rückkehr für unwahrscheinlich.

So schaut Max Jason Mai im
Jahre 2016 aus
Die Slowakei wurde in ihrer Song Contest-Historie vom Pech verfolgt. Es begann schon 1993, als die nominierte Band Elán in der osteuropäischen Vorrunde rausflog. Das beste Finalergebnis hält seit nunmehr 20 Jahren Marcel Palonder mit "Kým nás máš", Platz 18! Nach elf Jahren Pause gab es ein Comeback, einen großen Vorentscheid, 2010 war man im Vorfeld mit Kristina sogar Mitfavorit. Am Ende verabschiedete sich die Slowakei als Letztes im Semifinale mit Max Jason Mai. 

Von daher dürfte es noch einiges an Überzeugungsarbeit erfordern, damit die Slowakei wieder mit im Boot sitzt. Anders dürfte es bei Australien sein. Ob die dauerhafte Teilnahme Australiens nun förderlich ist oder nicht, sei dahingestellt, SBS würde aber liebend gerne wieder mit dabei sein. Noch hat sich die Europäische Rundfunkunion nicht dazu geäußert, wie es mit Australien weitergeht. Es stellt sich die nur Gewissensfrage, ob ein Land, dessen Hauptstadt etwa 13.000km hinter Baku liegt und dessen Rundfunkanstalt nur assoziiertes Mitglied der EBU ist, einen permanenten Teilnahmestatus erhalten sollte.

Mein Pro-Australien-
Argument: Lee Lin Chin
Das Argument der langjährigen Tradition zog bei der angeblich einmaligen Einladung zum Jubiläum 2015, aber wenn Jahr für Jahr so argumentiert wird und man einfach nur die Gelder sichern möchte, dann könnte man genauso gut auch die USA ins Boot holen, schließlich leben in New York mehr Iren als in Dublin oder Angola, das schließlich erst 1975 von Portugal in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Am Ende muss man es so hinnehmen wie es kommt, ich rechne jedoch fest damit, dass Australien auch 2017 wieder mitmachen darf, denn an der Bereitschaft der Aussie scheitert es nicht und zwei Top-Five-Platzierungen sind auch kein Pappenstiel.

Fest steht hingegen, dass Bosnien-Herzegowina in Kiew nicht mit dabei sein wird. Europas größte Party ist für den Sender BHRT, der durch staatliches Verschulden kaum mehr Geld zum Atmen hat, ein unbezahlbares Prestigeprojekt. Seit Jahren häufen sich die Schulden an und weder die eine noch die andere Entität Bosniens sieht sich in der Pflicht, den Sender am Leben zu erhalten. Trotzdem, und das ist die Hoffnung vieler Fans, könnte der Eurovision Song Contest 2017 einen neuen Teilnehmerrekord aufstellen. 46 Nationen könnten nach dem aktuellen Regelwerk teilnehmen, wie viele es am Ende tatsächlich sein werden, dass wird die EBU vermutlich zum Jahresende final bekanntgeben.

Und so verquatscht man sich, eigentlich wollte ich darüber schreiben, wie langweilig das finnische Auswahlverfahren und ernüchternd die ausgewählten Beiträge sind, aber das hebe ich mir für einen anderen Kommentar auf. In diesem Sinne, "good night, Europe".