Samstag, 20. August 2016

Green Cocktail: Shamrock



Europa - Nach einwöchiger Pause ob des Feuerwehrfests in Rerik meldet sich die Cocktail-Kategorie zurück auf unserer Eurovisionsseite. Vier Themen standen noch zur Auswahl, mit einem knappen Vorsprung setzt sich der "Shamrock" durch, das Erkennungsmerkmal der Iren. Irland, das sich gern als "Home of Eurovision" bezeichnet, ist nach wie vor die erfolgreichste Nation beim Eurovision Song Contest und verdient daher einen Eintrag in der Hall of Fame bzw. ein eigenes Cocktailposting.


Auf der internationalen Bühne spielt das 1921 von Großbritannien unabhängig gewordene Irland kaum eine Rolle, sie sind bekannt für rote Haare, Guinness und die große Kartoffeldürre im 19. Jahrhundert. Da man sonst weder in der Weltpolitik noch durch große sportliche Erfolge auffallen konnte, mussten sich die Iren eine andere Nische suchen, in der sie erfolgreich war und da neben Irisch die zweite offizielle Amtssprache Englisch ist und sich diese im 20. Jahrhundert zur europäischen Verständigungssprache entwickelte, hatte Irland den Vorteil, überall auf der Welt verstanden zu werden.

Kein Klangholz sondern ein
Mikro: Butch Moore (1965)
So kam es, dass Irland beim Eurovision Song Contest beim Debüt 1965 auf Englisch gab. Butch Moore, der zunächst in einer Showband namens The Capitol sang hatte in den 60er Jahren den großen Durchbruch und wurde zum Eurovision Song Contest nach Neapel gewählt, mit einem englischsprachigen Song. "Walking the street in the rain" landete ad hoc auf dem sechsten Platz. Zwei Jahre später landete Irland mit Seán Dunphy bereits auf dem zweiten Platz, den ersten Sieg trug Dana im Jahr 1970 davon. Irland hatte seinen ersten Triumph errungen.

Damals schon so bieder wie
ihre Politik: Dana
In Erinnerung geblieben sind viele Lieder der irischen Delegation heute nicht mehr, viele, die sich heute für den Eurovision Song Contest interessieren werden mit Namen wie Maxi, Tina Reynolds, Red Hurley oder Colm C. T. Wilkinson wenig anfangen können. Sie alle haben Irland aber in den 70er Jahren vertreten, standen allerdings stets im Schatten von Dana, die mit "All kinds of everything" den großen Erfolg erzielte. Später war Dana als konservative Parlamentsabgeordnete tätig. Es sollte zehn Jahre dauern, bis ein Australier diesen Erfolg einstellte.

Irlands größter Erfolg:
Johnny Logan
Die 80er war die Ära des Johnny Logan. Noch heute tritt Johnny regelmäßig bei Eurovisionsshows quer über den Kontinent verteilt auf. Ist er doch der einzige Interpret, der den Wettbewerb zweimal gewinnen konnte. "What's another year" ließ Irland in der Statistik aufrücken. Seiner Gegnerin Katja Ebstein, die auf den zweiten Platz kam, verriet er: "I'm so sorry for you, but I need the money." Ehrlich war er, insbesondere auch bei seinem zweiten Sieg 1987. "Hold me now", eine Eigenkomposition hatte er für seine Frau geschrieben. Die Ehe ging jedoch kurz vor der Eurovision zu Bruch, so dass Johnny Logan bittere Tränen bei der Siegerehrung in Brüssel vergoss.

Linda Martin gewann den
ESC 1992 in Malmö
Der Song Contest fand 1988 wieder in Irland statt, das kleine Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern wurde immer erfolgreicher. Im Übergang zu den 90er Jahren spielte Irland jedoch eine untergeordnete Rolle. Kiev Connolly und seine Missing Passengers beispielsweise landeten auf Rang 18, Kim Jackson wurde in Rom immerhin Zehnte. Danach sollte der irische Zorn über Europa hereinbrechen, die Mitte der 90er Jahre waren fest im irischen Klammergriff. Johnny Logan verdiente sich als Komponist von Linda Martins "Why me?" den dritten Eurovisionssieg.

Linda Martin leitete in Malmö die Ära ein, in der man Irland nicht schlagen konnte. Ambitionierte Pläne hatte anschließend das irische Fernsehen, als er den Eurovision Song Contest 1993 in einem kleinen verschlafenen Nest namens Millstreet Town stattfinden ließ. Der Ort, in dem zuvor nur Reitturniere die internationale Society anlockten, packte mit an und organisierte den bis dato größten Eurovision Song Contest, neben den westlichen Teilnehmerländern erhielt die Eurovision nämlich durch das Auseinanderbrechen Jugoslawiens Zuwachs. Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina gaben ihr Debüt, erstmals waren 25 Nationen mit dabei.

Gewann im kleinen Nest
Millstreet: Niamh Kavanagh
Als Siegerin ging allerdings weder Slowenien noch Bosnien vom Platz sondern die Bankangestellte Niamh Kavanagh. Ihr musikalisches Talent wurde erst 1991 entdeckt, als sie den Soundtrack für einen Kinofilm aufnahm. Als Komponisten für "In your eyes" engagierte man Jimmy Walsh, der Eurovisionstriumph im eigenen Land war perfekt. Mit 187 Punkten verwies Niamh, die danach keine große Karriere starten konnte, Großbritannien und die Schweiz auf die Plätze. 1994 ging die Eurovision also wieder nach Irland, im Point Theatre in den Docklands von Dublin fand die Eurovision statt.

Treten noch heute gemeinsam
auf: Paul & Charlie (1994)
Wieder waren 25 Nationen am Start, erneut kamen neue osteuropäische Nationen hinzu, Polen und Russland waren dabei, ebenso kleine Nationen wie Litauen, Estland oder Slowenien. Der Interval-Act von Riverdance, der traditionellen irischen Stepptanz mit typischer Folkloremusik verband, startete vom Song Contest aus seine beispiellose Karriere. Jeder hat Riverdance vor Augen, die klappernden Schuhe im Ohr, aber den Sieger von Dublin, das Duo Paul Harrington & Charlie McGettigan, wohl die wenigsten. Dabei stellten die beiden mit 226 Zählern einen neuen Punkterekord auf.

Ein halber irischer Sieg:
Secret Garden (1995)
Die ständigen Siege Irlands schlugen langsam auf die finanziellen Bilanzen des Senders RTÉ, der ohnehin schon klamme Sender ließ es sich aber nicht nehmen, zum dritten Mal in Folge Gastgeber zu sein. Sehr erleichtert dürften die Senderchef gewesen sein, als ihr Kandidat Eddie Friel mit seinem Schlaflied "Dreamin'" nur auf den 14. Platz kam. Der Sieg ging nach Norwegen, die Band Secret Garden landeten mit sphärischen und nordisch kühlen Titel namens "Nocturne" auf der Eins. Ein Erfolg für Irland war es dennoch, denn die wichtigste Person der Band, die Geigerin Fionnuala Sherry stammte aus Irland.

1996 ging es nach Oslo, dem Jahrgang in dem Deutschland aussetzen musste und die Melodien oftmals einen keltischen Touch erhielten. Der kälteste und farbloseste Beitrag von Eimear Quinn gewann. Sie war Mitglied des Chors Anúna und sang bei einem Weihnachtskonzert, wo sie von Brendan Graham entdeckt wurde, dem Komponisten von "Rock'n'Roll Kids" 1994. Die beiden arbeiteten zusammen und gewann mit dem von ihm geschriebenen Titel "The Voice" den Wettbewerb von Oslo. Somit ging der nächste Sieg, der siebte mittlerweile, auf das irische Konto.

Wurden 1999 nach hinten
durchgereicht: The Mullans
Und bei der Zahl sieben stagniert die irische Erfolgsbilanz seither. Zwar folgte Marc Roberts der Tradition mit Balladen Punkte zu sammeln, er scheiterte jedoch an Katrina & The Waves aus Großbritannien und wurde Zweiter. Seitdem steckt Irland in einem Eurovisionsloch, die Mullans beispielsweise starteten 1999 mit zwölf Punkten aus Litauen als Erste in die Punktevergabe von Jerusalem, Irland wurde jedoch bis auf Rang 17 durchgereicht, am Ende standen nur 18 Punkte für "When you need me" auf dem Tableu. 2001 waren es sogar nur sechs Zähler für Gary O'Shaughnessy, die Katastrophe für Irland, man war im Jahr 2002 nicht einmal mehr für das Finale qualifiziert und musste daheim bleiben.

Hauptsache die Gitarre ist
grün: Mickey Harte
2003 kehrte Irland mit einem typisch grünen Beitrag zurück, Mickey Joe Harte sang "We've got the world tonight", dem im Vorfeld vorgeworfen wurde, zu stark an "Fly on the wings of love" zu erinnern. Er durfte dennoch in Riga starten und erreichte Platz elf, was Irland 2004 für das Finale setzte. Dort musste sich Chris Doran allerdings mit einer schalen Ballade auf dem 22. Platz einreihen. Es begann die Zeit, in der sich Irland mit den Halbfinals beschäftigen musste. Die Castingshow "You're a star" wurde eingestampft, nachdem Donna & Joe 2005 im Halbfinale rausflogen.

Die Merkelraute in Irland:
Dervish (2007)
2007 nominierte RTÉ intern die Band Dervish, die irischer nicht hätte sein können. Vier Beiträge standen zur Auswahl, Irland entschied sich für "They can't stop the spring", einem typischen Song, der den Prager Frühling als Leitthema hatte. Allerdings hatte niemand wirklich Lust auf die Folkloreband und ihre abgedrehte Leadsängerin, die auf der Bühne herumhuschte als hätte sie zwei Valium vor ihrem Auftritt genommen. Das Resultat war in der Eurovisionsbilanz einmalig, die große Eurovisionsnation landete auf dem 24. und damit letzten Platz.

Das rief die Protestler auf den Plan, das Niveau der Eurovision wurde in Frage gestellt, die Frage aufgeworfen, ob sich Irland den Wettbewerb überhaupt noch geben sollte. Die Antwort kam von einer Puppe. Dustin the Turkey war gefeierter Kinderstar in Irland, eine Truthahn-Puppe, mit dem die Iren groß geworden sind. Allerdings beschränkte sich der Humor der Figur nur auf Irland, zudem biederte Dustin mit seinem Song "Irelande douze points" in Osteuropa an, da er nahezu alle Nationen jenseits von Frankfurt/Oder namentlich nannte. Irland schied erneut im Semi aus.

Ebenso auch 2009 als ein junges internationales Komponistenteam mit Seichtrock und Sinéad Mulvey & Black Daisy in Moskau, zwar knapp aber dennoch den Sprung ins Finale verpassten. Es musste jemand her, der Irland wieder zu glorreichen alten Zeiten zurückbringen konnte. Und da Johnny Logan nicht dazu bereit war, setzte sich Niamh Kavanagh erneut im nationalen Vorentscheid durch, der mittlerweile innerhalb einer Freitagabend-Talkshow ermittelt wurde. Niamh fuhr mit "It's for you" nach Oslo. Irland hatte große Erwartungen und erfreut waren sie zunächst auch, als Niamh den Sprung ins Finale schaffte. 

Zweimal 10.000 Volt:
Jedward (2011 und 2012)
Dabei riskierte Niamh als einstige Siegerin ihren guten Ruf beim Song Contest. Das Mindestziel wurde erreicht, im Finale reichte es aber auch nur für den 23. Rang. Wieder wurde eine Fehleranalyse betrieben, es musste etwas geschehen, das nicht an verstaubte irische Balladen erinnerte. Was für ein Glück, dass just zu dieser Zeit die aufgedrehten Zwillinge John und Edward Grimes im britischen X-Factor ihre Hyperaktivität auslebten. Obwohl sie nicht die besten Sänger waren, erreichten sie mit ihren Auftritten zu "Ghostbusters" oder "Oops I did it again" von Britney Spears eine riesige Community, gegünstigt dadurch, das Castingshows auf itv noch nicht derart ausgelutscht waren.

Ihr Mentor Louis Walsh schlug sie beim irischen Fernsehen RTÉ für den Eurovision Song Contest vor, der Sender nominierte sie und fuhr neben einer Traumquote auch gleichzeitig noch das beste Ergebnis seit Jahren ein, Platz acht für "Lipstick" und die höchsten Schulterpolster und Turmfrisuren in der Eurovisionsgeschichte. Dadurch motiviert schickte Irland die beiden gleich noch einmal zum Wettbewerb nach Baku, diesmal mit Mentorin Linda Martin, der zweite Anlauf zündete allerdings schon nicht mehr. Ebenso wenig wie der glanzlose Popsong von Ryan Dolan in Malmö, der ebenfalls wieder auf dem letzten Rang im Finale landete.

Irlands bisher letzter Act:
Nicky Byrne (2016)
Irland profitierte in den letzten Jahren nur noch marginal durch die Nachbarschaft mit Großbritannien, der gemeinsame Punkteaustausch ist eher übersichtlich. Dafür exportiert Irland seit Jahren seine Punkte ins Baltikum, insbesondere Lettland und Litauen profitieren durch die vielen Zuwanderer aus diesen Staaten, auch Polen schneidet im irischen Televoting regelmäßig gut ab, allerdings solidarisieren sich genannte Nationen eher seltener für irische Melodien. Eine große Bindung bestand hier noch nie, Irland erhielt primär aus westlichen Nationen Punkte.


Ryan Dolan war bislang der letzte Interpret, der Irland ins Finale brachte. Can-Linn feat. Kasey Smith, Molly Sterling und Nicky Byrne konnten nichts mehr reißen. Irland, "The home of Eurovision" steckt in einer Eurovisionskrise, scheint ideenlos. Irlands großen musikalischen Exporte, ob nun Boybands oder die Kelly Family gehören eindeutig in die 90er. Durch den Wegfall der Sprachenregelung Ende der 90er hat Irland neben Großbritannien auch kein Exklusivrecht auf die englische Sprache. Ähnlich wie in Großbritannien wird der Song Contest als guter Grund genutzt, sich mit Guinness volllaufen zu lassen und abzulästern, vor allem über den eigenen Interpreten...



Poll: Drei Ladenhüter haben wir noch, ab sofort kann zwischen "Fashion Queen", "Silver Convention" und der "Vintage Week" abgestimmt werden. Viel Spaß, zum Voting geht es hier entlang.