Sonntag, 22. Mai 2016

Eurovision am Sonntag (42)



Europa - Seit einer Woche steht Jamala als Siegerin des Eurovision Song Contests 2016 fest und die Show hat ihre Spuren auf dem Kontinent hinterlassen. Das neue Votingformat hat sich als äußerst spannende Aktion herausgestellt. Auch ich habe das Verfahren, das man im Prinzip vom Melodifestivalen kopiert hat, zunächst in Grund und Boden geredet, wurde dann aber eines Besseren belehrt. Die "douze points" sind geblieben und die Spannung blieb bis zum Schluss. 

Prekär war das Voting am Ende dann insbesondere, weil Russland und die Ukraine übrig blieben, zwei Nationen, die momentan nicht unbedingt die besten Beziehungen hegen. Während in der Ukraine gefeiert wurde und Jamala de facto geadelt wurde, stänkerten viele Stimmen in Russland gegen das Ergebnis an, an vorderster Front die politischen Hardliner. Die EBU erteilte sämtlichen Unkenrufen eine Absage, das Ergebnis ist unumstößlich und alle müssen sich dran halten, ob es ihnen nun passt oder nicht und egal welche politischen Zeichen man aus dem Sieg und dem Lied herausliest.


Wie kleine Kinder:
Russland und die Ukraine
Weniger lösungsorientiert ist der Gedanke der Russen, nicht am Eurovision Song Contest 2017 teilzunehmen, ebenso wenig wie der der Ukrainer, Interpreten, die sich für die Annexion der Krim ausgesprochen haben, nicht zu akzeptieren. Mit diesen Mitteln gießt man mehr Feuer ins Öl als notwendig, zudem sind diese politischen Spielchen Sache von Armenien und Aserbaidschan. Dem Motto des Wettbewerbs "Come together" entspricht das jedenfalls nicht. Und bei den Diskussionen gerät die an sich hervorragende Show vollkommen in den Hintergrund. In Deutschland kommt zudem noch die Aufarbeitung des erneut letzten Platzes hinzu.

Dabei war der Eurovision Song Contest 2016 meines Erachtens eine unglaublich tolle Show, ich habe zwar auch Jerusalem 1999 und Baku 2012 toll gefunden, aber SVT hat in diesem Jahr alles richtig gemacht und auch fast das gesamte Finalistenfeld war großartig. Das es immer Verlierer gibt, steht auch schon seit 1956 fest, manche regen sich darüber eben mehr auf als andere. Ich weiß wovon ich spreche, Stichwort Markus Riva, das ist nicht die feine Art, mit Niederlagen umzugehen. Mittlerweile ist es sogar so weit, dass ich "Heartbeat" ab und an im Ohr habe, aber das arbeite ich ein anderes Mal auf.


Der Sieger der Herzen
Besonders genial fand ich zwei Szenen zum Ende des Wettbewerbs, zum einen den Interval-Act. Ich muss zugeben, dass mich Justin Timberlake nicht die Bohne interessiert hat, angesichts des wundervollen Spaßliedes, das Petra und Måns gesungen haben. Das Lied zeigt, was der Eurovision Song Contest eigentlich ist, ein Wettbewerb mit tollen Liedern, vielen Anekdoten und vermeintlichen Siegerrezepten, den man aber trotzdem nicht zu ernst nehmen sollte. Wie wichtig er aber tatsächlich ist, zeigen die Reaktionen derer, die sich unter'm Jahr kein Stück mit dem Wettbewerb auseinandersetzen. 

Die zweite Szene war das Aufrücken des polnischen Beitrags kurz vor Knall, als aus der kläglichen Sieben eine 222  aufaddiert wurde und Michał Szpak plötzlich aus dem Keller verschwunden war. Davon gibt es mittlerweile auch schon GIF-Animationen bei Facebook, ein großer Moment für den Eurovision Song Contest, zeigt es allerdings auch, dass Juroren und der Rest Europas durchaus anders ticken können. Wie groß der Einfluss der polnischen Diaspora ist, kann man nicht einschätzen, in den Jahren vor der zweijährigen Auszeit war Polen, anders als die Türkei, Serbien oder Armenien keine Nation, die vom Diasporavoting profitiert hat. Ich habe das Lied eher als Juryfavoriten eingeschätzt, weil er eine klassische Eurovisionsnummer war, aber so kann man falsch liegen.

Fast hätte ich die Wiederholung in der Sonntagnacht auf Phoenix noch zu Ende geschaut, irgendwann im Voting bin ich dann allerdings eingeschlafen. Ging es nur mir so oder war dieser Eurovision Song Contest eine Klasse besser als die anderen? Bisher hatte ich nach der Abmoderation von der Reeperbahn nicht das Verlangen, mir die Show gleich noch einmal reinzuziehen. Ich kann die EBU, SVT und die teilnehmenden Nationen insgesamt nur loben, für ihren tollen Job den sie gemacht haben und hoffe, dass die Ukraine sich im nächsten Jahr etwas ähnlich imposantes einfallen lässt, auch wenn vielleicht nicht die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen.


Offiziell anerkannt:
ManuElla war gut!
Vor allem aber hoffe ich, dass möglichst viele Nationen im Kreis der Familie bleiben, nicht nur Russland sondern auch die kleinen Verlierer, etwa Montenegro oder San Marino, die das Wertungsformat ungerecht finden bzw. bei der Stimmenvergabe einen Querschnitt anderer Länder aufgezwängt bekommen. Zum Schluss möchte ich noch ManuElla als Aufsteiger der Woche nominieren. Nach dem Semifinale habe ich mir darüber gar nicht viele Gedanken gemacht, aber "Blue and red" war gut, sehr gut sogar, klar gesungen, nett dargeboten und vor allem hat das Lied einen verständlichen Text, der zumindest ein Müh anspruchsvoller ist, als z.B. "Sunlight" aus Irland. Und damit "Happy Wochenstart" alle miteinander.