Sonntag, 7. Februar 2016

Eurovision am Sonntag (34)



Europa - Gestern Abend durften die Schweden und mit ihren ganz Europa ein bisschen Eurovisionsluft schnuppern. Das Melodifestivalen, das seit Jahren für erstklassige Unterhaltung steht und das Prädikat "wertvoll" in Bezug auf europäische Vorentscheide besitzt, begann in Göteborg. Doch irgendwie wollte der Funke noch nicht so recht überspringen. 

Da ich es vorgezogen habe, den Abend im Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt zu verbringen und zu faul bin, mir die Vorrunde on demand anzuschauen, kann ich nur nach den Studioversionen urteilen und da gefiel mir auf Anhieb nur ein Beitrag, nämlich der von Mimi Werner, die leider als Erste aus dem Rennen war. Stattdessen qualifizierte sich ein Idols-Teilnehmer und Ace Wilder, die einen wesentlich brustschwacheren Titel im Rennen hat, als noch vor zwei Jahren, als sie sich für Kopenhagen bewarb.

Überhaupt... die erste Vorrunde in Schweden kann man sich auch irgendwie sparen, man gewinnt den Eindruck, dass Christer Björkman die erste Liveshow eingebaut hat, um einige Interpreten als Kanonenfutter zu präsentieren. Die späteren Vorrunden sind erfahrungsgemäß stärker, womit immerhin noch Hoffnung für Sverige besteht. In der Andra Chansen erleben wir die beiden Jungs Samir & Viktor, die auf einen ganz alten Trick aus der Mottenkiste des Song Contest zurückgreifen, nämlich nackte Haut. 


Angezogen bestimmt raus:
Samir & Viktor
Ihr Song "Bada nakna", der wohl keiner Übersetzung bedarf, ist vom Typ her stellvertretend für Titel, die in den letzten Jahren immer wieder im schwedischen Vorentscheid herumdümpeln. Auch wenn es vielleicht europaweit nicht mehr ziehen mag, aber ich wünsche mir die tollen Schwedenschlager á la BWO, Charlotte Perrelli, Alcazar, Linda Bengtzing oder gewollt fremdländisch klingende Songs wie "Pame" von Daniel Mitsogiannis oder "Hypnotized" von Sofia Berntson zurück... Damit wurde das Melodifestivalen in den 2000er Jahren populär und von den Fans gefeiert.

Nun könnte man natürlich meinen, dass die Schweden ihre ewigen ABBA-Abklatschlieder leid sind und sich musikalisch natürlich auch weiterentwickeln. Dennoch ist dieser Trend irgendwie erstaunlich, zumal größtenteils immer noch die Komponisten engagiert sind, die schon 2005 oder 2011 ihre Beiträge bei SVT einschickten. Genauso wie man von Litauen einen grottenschlechten Beitrag erwartet, von Griechenland ein Song mit Herzschmerz oder mindestens fünf "Opas", von Portugal im Zweifel einen Fado oder von Großbritannien einen Oldie, der 1984 vielleicht Chancen gehabt hätte, so erwartet man im schwedischen Vorentscheid die simplen Texte zu eingängigem Happysound. 


Mobilfunkkönigin: Charlotte
Es ist natürlich noch ein bisschen früh, um schon wieder grundsätzlich über alles zu schimpfen, was Schweden dieses Jahr aufzubieten hat, da folgen noch einige Namen in den kommenden Wochen, die früher für eben diese Songs standen, das Travestie-Duo After Dark, Linda Bengtzing, die immer für einen guten Schwedenschlager zu haben ist oder Martin Stenmarck, der es mit "Las Vegas" sogar bis zur Eurovision nach Kiew schaffte. Dennoch muss man die Songs der ersten Vorrunde als ziemlich schwach beurteilen, zumindest subjektiv sprang da der Funke nicht über, der mich glauben lässt, Schweden sei auf dem Weg das Irland des 21. Jahrhunderts zu werden und die Titelverteidigung anzustreben.

Noch schlimmer hat es in diesem Jahr aber nach erstem Querhören das kleine Georgien getroffen. Kein einziger der fünf Titel der Young Lolitaz flasht mich. Immerhin zeigt sich der Sender in Tiflis experimentierfreudig und schwimmt nur selten mit dem Strom. Was aber auch immer bei der Wahl am kommenden Montag herauskommt, wird angesichts der europaweiten Konkurrenz abschmieren. Ich würde Georgien gerne einen Triumph beim Song Contest wünschen, weil mir das Land ziemlich sympathisch ist, so wird das aber langfristig gesehen nichts. Gerne auch einmal mit einem Song auf Georgisch.

Apropos Georgisch... der Trend seiner Landessprache abzuschwören setzt sich scheinbar europaweit fort. Bisher wurden nur Songs auf Englisch für die Eurovision im Mai nominiert, in Norwegen, Lettland und Litauen sind ausschließlich englischsprachige Songs im Rennen, in der Ukraine und Dänemark jeweils ein mutiger Beitrag in Landessprache. In Ungarn haben es immerhin fünf ungarische Songs weiter geschafft, Griechenland und Bosnien-Herzegowina haben angekündigt in ihrer Landessprache zu singen. Ich bin auch niemand, der einem Kandidaten vorschreiben möchte, ob er Englisch, Niederländisch oder Arabisch singen soll, aber sprachliche Abwechslung bei der Eurovision ist vergleichbar mit einem gut sortierten Gewürzregal, je mehr man davon hat, umso interessanter wird die Show am Ende.


Gregorian
Bleibe ich wieder beim deutschen Vorentscheid hängen, wo für mich mittlerweile zwei Songs in der Gunst weit vorne liegen. Zum einen Ella Endlich, die für mich noch den typischsten Eurovisionstitel im Rennen hat und mich an eine verspätete Carolin Fortenbacher erinnert und zum anderen die Gruppe Avantasia, die offenbar auch europaweit die Albumcharts zu erobern scheint und mit ihrem Lied "Mystery of a blood red rose" für Aufmerksamkeit sorgt. Ich hätte nichts dagegen, wenn uns die Metalband in Stockholm vertritt, ebenso wenig wie gegen den gregorianischen Gesang. "Masters of chant" erinnert mich im Opening ein bisschen an "Conquest of paradise" von Vangelis. Ich hoffe nur inständig, dass uns die schnarchige Nummer von Jamie-Lee erspart bleibt...

Und mit dem Programmtipp, dass heute Abend ja die erste Liveshow in Lettland stattfindet, wünsche ich allen Lesern ein schönes Rest-Wochenende und einen guten Start in die neue Woche!