Sonntag, 18. Oktober 2015

Euronight: Schmerzlicher Verlust schwermütiger Melodien?



Portugal - Das portugiesische Fernsehen RTP war mit seiner Aussage, 2016 nicht am Eurovision Song Contest teilzunehmen, eigentlich relativ deutlich. Man erbittet sich etwas Bedenkzeit, um im internationalen Teilnehmerfeld konkurrenzfähig zu sein und den Vorentscheid zu überarbeiten. Einen ähnlichen Weg ging das kroatische Fernsehen 2013 allerdings auch...

Bei der Crowdfounding-Kampagne eines portugiesischen Fans kamen bislang gerade einmal 49 von 200.000 Pfund zusammen. Ich nehme noch Wetten an, ob bis zum Ablauf der Frist überhaupt ein dreistelliger Betrag zusammenkommt. Sprich: Die Idee war gut, in der Umsetzung, für RTP zu sammeln, gibt es jedoch noch große Schwierigkeiten. Auf diese Art und Weise wird man Portugal 2016 nicht zurück ins Boot holen.

Unterdessen haben sich andere Fans im Land gedacht, eine Petition auf Petição Pública zu starten, um das Projekt Eurovision Song Contest im portugiesischen Parlament zu thematisieren. In anderen Ländern wie etwa Israel ist der Wettbewerb regelmäßig ein Thema in den Volksvertretungen, in Portugal war er es meines Wissens noch nicht.

Die Initiatoren der Petition beklagen, dass RTP andere Ereignisse wie Stierkämpfe, Sportevents und vieles weitere über den Eurovision Song Contest stellt und somit das Geld für die Musikshow fehlen. Auch 2013 war dies bereits das Problem, weshalb RTP auf die Teilnahme in Malmö verzichtete. "Ist es vertretbar, dass es in Portugal kein TV-Programm gibt, das Musik made in Portugal vertritt? Ist dies nicht die Aufgabe eines öffentlichen Rundfunks?", wird in der Petition gefragt.

Das Engagement der portugiesischen Fans zeigt wieder einmal, wie sehr man mit Leib und Seele am Eurovision Song Contest hängen kann. Bis Ende des Monats hat RTP offenbar noch die Gelegenheit sich für Stockholm 2016 zu entscheiden, ob sich der Sender jedoch einen Gefallen damit tun würde, ist fraglich. Schließlich würde man ein ganz neues Konzept für die Künstlerauswahl benötigen, das bisher angewandte Festival da Canção ist in die Jahre gekommen.

Seit 1964 dient das Festival dazu, einen Künstler für den Eurovision Song Contest zu finden, nur wenige Male gab es keinen Vorentscheid. 2002 und 2013 pausierte Portugal freiwillig, auch 1970 verzichtete man freiwillig auf die Teilnahme, damals wurde jedoch Sérgio Borges beim Festival ermittelt. 2000 wurde die Sängerin Liana mit "Sonhos mágicos" gewählt, Portugal wurde aufgrund der neuen Relegationsregelung jedoch nicht zur Eurovision zugelassen und 2005 nominierte RTP das Duo 2B intern.

Portugal hat einen Hang zum Fado und trägen, schmerzerfüllten Songs, die sich auch beim Festival da Canção tummeln. Ich habe den Vorentscheid nie gerne gesehen, nicht nur weil er meist erst um 22 Uhr beginnt, sondern weil er sich mit seinen melancholischen Liedern mehr zieht, als eine "Wetten dass..?"-Sendung. RTP hat nie großartige Veränderungen am Festival durchgeführt, die der Qualität oder Vielfalt der Beiträge halfen. Die wenigen Uptempo-Songs in den letzten Jahren wurden abgestraft...

Bekanntestes Opfer beim portugiesischen Vorentscheid war Catarina Pereira, die mit "Canta por mim" scheiterte oder auch "Tensão" von Filipa Ruas im Jahr 2011. Portugal hat seit Oslo 2010 kein Finale miterlebt und musikalisch betrachtet zurecht. Suzy war mit ihrem Lambada in Kopenhagen eine nette Abwechslung, sie konnte aber nicht singen... Halten wir fest, es ist schade, dass Portugal in Stockholm aller Voraussicht nicht dabei sein wird, eine Auszeit hat aber z.B. Polen gut getan. 

Allerdings bleibt zu hoffen, dass die musikalische Bedenkzeit nicht die Züge Kroatiens annimmt, dass offenbar seit 2013 an der Neuorientierung scheitert...