Samstag, 4. Juli 2015

Orange Cocktail: Oriental Flavour


Europa - Die User haben wieder gewählt und auch wenn es diesmal nicht so eindeutig ist, wie sonst, wir haben einen Favoriten, der da heißt "Oriental Flavour". Es geht im heutigen Posting also um die Beiträge, die sich durch ihren orientalischen Musikstil auszeichnen, ebenso wie um die Länder, die sich in diesem Kulturkreis befinden und auch um die Frage, warum wir in den letzten Jahren irgendwie keinen richtigen Orientknaller mehr geliefert bekommen.


Mitte der 2000er dürfte man den Eindruck von Stefan Raab durchaus ebenfalls gehabt haben. Er erklärte: "Die Zahl der Teilnehmerländer, die eine orientalische Musikkultur haben, ist stetig gewachsen. Und wenn ein Armenier an orientalische Klänge gewöhnt ist, dann findet er natürlich den Song aus Aserbaidschan geiler als den aus Irland.", unabhängig von dem Bergkarabach-Streit, steckt tatsächlich eine ganze Menge hinter dem musikalischen Grundgefühl, dass sich verschiedene Länder wie die Türkei, Israel, Ägypten, Armenien oder Usbekistan teilen.

Der Begriff "Orient" stammt zunächst einmal vom lateinischen Begriff "oriens", sprich "Osten" ab und bezeichnete ursprünglich eine der vier römischen Himmelsgegenden. Darunter versteht man im heutigen Sinne die Levantestaaten des Mittelmeers, sprich die Türkei, Syrien, Libanon, Israel und Palästina, zum erweiterten Kreis zählen auch nordafrikanische Gegenden wie Algerien oder Tunesien und teilweise auch die kaukasischen und zentralasiatischen Staaten. Sowohl kulinarisch als auch kulturell sind diese Nationen engmaschig verknüpft.

Eine gewisse Anzahl dieser Nationen hat den Wettbewerb in den letzten Jahren immer wieder mit orientalischen Klängen, die für den gewöhnlichen mitteleuropäischen Gehörgang nicht nach Mainstream-Popmusik klingen, bereichert. Darunter zählt u.a. der "Golden boy" von Nadav Guedj in diesem Jahr aus Israel, der sich souverän im Finale behaupten konnte. Der Refrain und die Melodie im Übergangsteil präsentieren auf softe Art und Weise, wie gute orientalische Musik klingen muss, ohne billig zu wirken.

Solch eine Darbietung lieferte die britische Sängerin Javine 2005 in Kiew ab. "Touch my fire" sollte an die damals sehr erfolgreiche Ethno-Phase in den britischen Charts anknüpfen und gewann auch den britischen Vorentscheid, beim Song Contest stellte sich jedoch heraus, dass so billig produzierte Nummern keine Chance haben, Javine wurde Drittletzte, Grund hierfür dürfte die fehlende Authentizität sein. 

Dies können die Beiträge aus Israel oder der Türkei eher erbringen. Israel besticht vor allem durch seine besondere Klangfarbe in der Landessprache Hebräisch. In früheren Vorentscheidungen nahmen einige orientalisch gefärbte Beiträge am Kdam-Eurovision in Israel teil, auch Künstler, die beim Song Contest vielleicht eher eine Friedenshymne zum Besten gaben, wie etwa Sarit Hadad, haben ein großes Repertoire an orientalischer Musik.

"Mr. DJ Superman" ist so ein Titel, der leider mit 144 Punkten nur auf den zweiten Rang in der internen Vorauswahl der IBA landete, später folgte ein Lied namens "Hagiga", das ebenfalls moderne Beats mit orientalischen Klängen mischt. Eine weitere Orientkönigin ist Dana International, die bereits bei den Diven eine große Rolle spielte. Man erinnere sich an den Pausenact des Eurovision Song Contests 1999 in Jerusalem, als sie vor den Toren der Altstadt eine fast schon okkulte Prozession feierte und dabei das Gebetslied "Dror yikra" und eine eigene Version von Stevie Wonders "Free" performte.

2006 nahm beim israelischen Vorentscheid ein Duo namens Oren Han & Stalos teil, der Titel "Oriental dreams", chancenlos. Er unterstreicht jedoch sehr eindrucksvoll, dass man vorderasiatische Klänge durchaus auch in Israel vermuten kann. Trotz anderer Weltanschauung als seine Nachbarn ist Israel musikalisch ähnlich geprägt wie z.B. der Libanon oder Syrien. Musik setzt sich über Grenzen und Konflikte hinweg.

Ein weiterer Quell für orientalische Musik beim Song Contest ist die Türkei, die uns seit 2012 nicht mehr mit Beiträgen beliefert, da der Sender TRT Zweifel am Votingformat hat. Beim Debüt 1975 war die Türkei eher ein Exot, die Platzierungen sämtlicher Beiträge bis ins Jahr 1997 waren zweistellig, 1994 musste man sogar aussetzen. Dann kam Sebnem Paker 1997 in Dublin mit "Dinle" ("Hör zu") und wurde mit gekonnten Bauchtanzeinlagen Dritte. In der Türkei selbst war sie jedoch weniger erfolgreich, 1998 wurde sie beim Vorentscheid mit "Çal" nur Dritte, heute arbeitet sie als Musiklehrerin.

Türkische Beiträge mit orientalischem Charakter der letzten Jahre:
- 1997: Platz 03 - Şebnem Paker & Etnik - Dinle
- 1999: Platz 16 - Tuğba Önal & Grup Mistik - Dön artik
- 2003: Platz 01 - Sertab Erener - Everyway that I can
- 2005: Platz 13 - Gülseren - Rimi rimi ley
- 2009: Platz 04 - Hadise - Düm tek tek

Und dann ist da ja auch noch Aserbaidschan, der kleine türkische Bruder, der sich bei den meisten seiner Beiträge primär an internationalen Komponistenteams und Standardnummern orientiert. 2009 als Aysel Teymurzadeh gemeinsam mit Arash Labaf auftrat, steckte dahinter auch ein internationales Team. Der Beitrag zeigte eindrucksvoll wie man landestypische Klänge mit modernem Rhythmus versehen kann. "Always" wurde Dritter in Moskau. Arash, der vor allem in Schweden musikalisch in Erscheinung tritt, hatte vor einigen Jahren mit dem persischen Lied "Boro boro" oder "Temptation" hierzulande Erfolg.

In einigen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien dehnt sich der Begriff "Orient" auch auf ehemalige Kolonien wie Pakistan oder Indien aus. Nach unserem Verständnis, zählt jedoch eher die arabeske Note zu einem Orienttitel, daher seien Beiträge wie "Rimi rimi ley" von Gülseren oder schwedische Vorentscheidungstitel wie "Mani armani taha (I mina drämmar)" von Sheida nur kurz erwähnt. 

Orientalischer ist da schon "Your heart belongs to me" von Hind aus den Niederlanden, ihr Vater stammt aus Marokko, welches sich 1980 mit "Bitakat hob" beim Song Contest einmalig präsentierte. Samira, die damals für Marokko antrat, ist heute ein gefeierter Star in der arabischen Welt und genau wie ihre Kollegen Cheb Mami oder Cheb Khaled Vertreter verschiedenster orientalischer Musikstile. Auch in den deutschen Charts tauchen hin und wieder orientalische Klänge auch, erinnert sich noch jemand an Milk & Honey mit "Habibi"?

Orientalische Popmusik ohne sonderlichen Bezug zur Eurovision:
 Amina - Ya baba 
 Bezalel - Tunisia 
 Cheb Khaled - C'est la vie 
 Cheb Mami feat. Kenza Ferah - Loin 
 Diana Karazon - Hebni dom 
 Nancy Ajram - Salemoly aleh 
 Sofia Essaïdi - Femme d'Aujourd'hui 
 Ziyoda - Hayotim bu (Cover von "Without your love", Armenien 2006)

Die orientalischen Elemente beim Eurovision Song Contest sind in den letzten Jahren fast vollständig verschwunden, viele wünschen sich ein Comeback der Türkei um endlich wieder Aussicht auf eine Ethnonummer zu haben. Für 2016 ist eine finale Entscheidung noch nicht gefallen, der Abendstern steht jedoch gut, dass sich das Kernland der orientalische Noten beim Wettbewerb wieder dazu erbarmt, einen Beitrag zu entsenden. Wir sind gespannt und wünschen uns demnächst wieder mehr musikalische Vielfalt bei der Eurovision.



Poll: Welchen Cocktail wir in der fünften Runde servieren dürfen, hängt von euch ab. Ab sofort kann wieder für vier Themen abgestimmt werden. In dieser Woche gibt es keine neuen Mottos mehr, sondern Verlierer aus der Konserve, ich biete an "Schlagerparty", "Rock forever", "Alcohol is free" und "Lambada Night", viel Spaß beim Abstimmen und Samstagabend ist dann wieder Cocktailparty hier im Blog, bei diesen Temperaturen wäre ein Strawberry Frozen Daiquiri auch nicht verkehrt...