Dienstag, 17. April 2012

Kommentar: Eine schwule Community bleibt zuhause


Aserbaidschan - Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans wird, je näher der bevorstehende Eurovision Song Contest rückt, immer mehr von den deutschen Medien ins Visier genommen. Die "Zeit" beispielsweise hat einen Artikel mit dem Betreff "Schwul in Baku" veröffentlicht und weist auf die Diskriminierung homosexueller Menschen in Aserbaidschan hin.

"Der Reiseveranstalter Dertour führt Aserbaidschan zwar im Programm Russland Ukraine Mittelasien, nicht aber seinem Gay Katalog: "Wir hatten bisher von unserer Zielgruppe noch keine einzige Anfrage nach dieser Destination", sagt der Produktleiter Dietmar Malcharek.", heißt es im entsprechenden Artikel. Wie es weiter heißt, reisten 2010 10.602 Deutsche nach Aserbaidschan, Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbands: "Zum Vergleich: So viele Deutsche reisen in der Hochsaison an einem Tag nach Mallorca."

Die EBU gibt keine Auskünfte darüber, wie viele Tickets für die Shows im Mai bereits verkauft wurden, fest steht jedoch, dass man noch heute, einen Monat vorher Karten für das Finale kaufen kann, welches in Düsseldorf nach wenigen Stunden ausverkauft war. Viele Fans, so ist auch in Internetforen etc. zu lesen, verzichten auf die glitzernde Show und feiern in der Heimat, auch wenn sich der aserbaidschanische Staat den Wettbewerb einiges kosten lassen wird und eine pompöse Show verspricht.

Erstaunlich ist das Fernbleiben homosexueller Fans nicht, das Land, in dem das Gesetz zum Verbot von Homosexualität zwar 2000 abgeschafft wurde, rangiert auf Ranglisten zu Pressefreiheit, Demokratie, Menschenrechten, Korruption auf hinteren Plätzen und ist im Gay Travel Index nicht einmal vermerkt. Als Ratschlag offizieller ausländischer Institutionen gilt daher weiterhin "nicht als schwules Paar in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten".

In Baku, so wurde in dieser Woche auch bekannt, wird das offizielle Opening, der Delegationsempfang aller 42 Nationen am 19. Mai im Euroclub stattfinden. Hierfür hat man den Sportpalast von Baku mit einer neuen Fassade dekoriert, die ähnlich wie 2005 die Halle in Kiew vom Brutalismus der Sowjetarchitektur ablenken soll. Ab 13. Mai ist der Euroclub offiziell eröffnet, ansonsten bietet die Stadt nur wenig an Kneipen- und Barkultur, um sich den Aufenthalt am Kaspischen Meer zu verschönern. Dafür soll es ein EuroVillage geben, in dem zwischen 19.-26. Mai verschiedene Konzerte und Shows abgehalten werden sollen.

Die ARD weist zudem die Bemerkungen des Grünen-Abgeordneten Volker Beck zurück, der eine distanziertere Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gegenüber den Missständen in Aserbaidschan gefordert hatte. "Wir werden aus der Übertragung im Ersten keine Jubelfeier zugunsten der dortigen Machthaber machen und die politischen Verhältnisse im Ausrichterland weiterhin kritisch begleiten.", hieß es zuletzt von der ARD.

Dennoch verzichten zahlreiche Fans auf die Anreise nach Baku und die, die möchten, dürfen nicht. Wie queer.de berichtet, wurde Reportern der schwulen Website die Akkreditierung für den Eurovision Song Contest 2012 verweigert, nach NDR-Angaben aus Platzgründen. "Die Ablehnung der Akkreditierung (...) hinterlässt hinsichtlich der restriktiven Situation in Aserbaidschan einen besonders negativen Beigeschmack.", so queer.de-Chef Micha Schulze in einer Reaktion an die ARD.

Auch wir werden in diesem Jahr nicht aus Baku berichten und größtenteils auf Probeneindrücke von Eurovision.tv zurückgreifen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Fans und Journalisten tatsächlich nach Baku anreisen werden und ob die Interpreten vor leeren Rängen singen müssen und auch wenn es in vier Wochen losgehen wird, will noch keine richtige Eurovisionsstimmung aufkommen.