Sonntag, 16. August 2009

Memories: Eurovision Song Contest 1960


Großbritannien - Nachdem das niederländische Fernsehen sich weigerte den Eurovision Song Contest, aufgrund der mit ihm verbundenen Kosten, nach so kurzer Zeit bereits zum zweiten Mal auszurichten, sprang das Vereinigte Königreich ein. Somit fand der Eurovision Song Contest 1960 am 29. März in der Royal Festival Hall am Südufer der Themse in London statt. Moderiert wurde der Abend von Katie Boyle, die an diesem Abend wahrscheinlich auch noch nicht ahnte, dass sie ihn noch drei weitere Male moderieren sollte.

Durch die Rückkehr Luxemburgs und dem Debüt von Norwegen gab es einen neuen Teilnehmerrekord, dreizehn Nationen schickten ihre Interpreten zum Song Contest. Und zum letzten Mal in seiner Geschichte fand das Finale des Wettbewerbs mitten in der Woche, nämlich an einem Dienstag statt.


Anfang Februar wurde zuvor der deutsche Beitrag für London in der "Schlagerparade" aus der Rhein-Main-Halle in Wiesbaden mit Hilde Nocker und Werner Fullerer ausgewählt. Zehn Teilnehmer stellten sich dem Vorentscheid, den Sieg trug Wyn Hoop mit "Bonne nuit, ma cherie" davon. Umso erstaunlicher, weil in der Konkurrenz durchaus namhafte Künstler dabei waren, unter anderem Rex Gildo im Duett mit Angèle Durand ("Abitur der Liebe") und natürlich die spätere Zweitplatzierte Heidi Brühl, die deutschlandweit durch ihre Immenhof-Filmen bekannt wurde. Ihr Lied "Wir wollen niemals auseinandergehn" ist heute noch bekannt, an Wyn Hoop hingegen werden sich nur noch einzelne erinnern können.

Für Wyn Hoop, der zuvor in Musicals mitwirkte ("Ach Luise...") war es der erste Soloauftritt. Sein Lied "Bonne nuit, ma chérie", kommerziell zwar überhaupt kein Erfolg, belegte durch die internationalen Juroren aber immerhin einen vierten Platz und das bis dato beste Ergebnis für die BR Deutschland. Vier der elf Punkte gab es aus Frankreich, denen es wohl schmeichelte, dass zumindest die Titelzeile auf Französisch dargeboten wurde.

Erneut musste der Gastgeber, in diesem Falle die Briten, den Wettbewerb eröffnen. Sie schickten Bryan Johnson , den Bruder von Teddy Johnson, der im Jahr zuvor im Duett mit Pearl Carr den zweiten Platz erzielte. Sein Bruder stand ihm damit in nichts nach, sein Titel "Looking high, high, high", der von einem Mann erzählt der fernab der Heimat nach der großen Liebe sucht, schaffte es ebenfalls auf den zweiten Platz. Das britische Saalpublikum war außer sich vor Begeisterung über jeden Punkt und feierte letztlich so laut, dass Moderatorin Katie Boyle erbost ins Mikrofon schrie, sie würde die Juries nicht mehr verstehen, wenn es weiterhin so laut bliebe.

Unter den weiteren Teilnehmern, die nur auf den Plätzen landeten, fanden sich viele, die später auch im deutschen Fernsehen ihren Platz fanden. So zum Beispiel Camillo Felgen, einer der wenigen Vertreter Luxemburgs, die auch wirklich aus dem Land stammten, für das sie antraten. Als Moderator der "Hitparade" auf Radio Luxemburg war er im deutschsprachigen Raum bereits bekannt. Ab 1965 moderierte er dann für den WDR die Spielshow "Spiel ohne Grenzen". Nach einem kurzen Gastspiel bei RTL plus zog er sich aus dem Mediengeschäft zurück, 2005 starb er in Esch-sur-Alzette, ebenfalls in Luxemburg.

Beim Eurovision Song Contest 1960 sollte er zunächst keinen Erfolg haben, sein Titel "So laang we's du do bast" im fiesen Lëtzebuergisch erhielt nur einen Punkt aus Italien und landete auf dem letzten Platz. Seine zweite Teilnahme am Eurovision Song Contest 1962 sollte da erfolgreicher verlaufen.

Einen Platz vor ihm landete der Niederländer Rudolf Wijbrand Kesselaar, allseits bekannt als Rudi Carrell. Sein Lied "Wat een geluk" bekam je einen Punkt aus Belgien und Italien. Im niederländischen Fernsehen war er zu jener Zeit schon aktiv gewesen, in Deutschland gab er sein Debüt 1965.

Durch diverse Showformate wie die "Rudi Carrell Show", "Am laufenden Band", "Rudis Tagesshow", "Herzblatt" oder "7 Tage, 7 Köpfe" prägte er das deutsche Fernsehen wie kaum ein anderer. Auch musikalisch war er u.a. mit "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" in Deutschland erfolgreich.

Im November 2005 wurde bekannt, dass er an Lungenkrebs erkrankt war, seinen letzten öffentlichen Auftritt gab er im Februar 2006 bei der Goldenen Kamera, wo er für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde ("Die Tatsache, dass ich hier heute Abend sein kann, verdanke ich vor allem meiner Krankenversicherung, dem Klinikum Bremen-Ost und der deutschen Pharmaindustrie."). Er starb am 7. Juli 2006 im Klinikum Ost in Bremen.

Mit zwei Punkten mehr als Rudi Carrell beendete Schweden den Abend. Nachdem sie im Jahr zuvor bereits am schwedischen Vorentscheid teilnahm, wurde Siw Malmkvist 1960 als Sängerin ausgewählt und durfte in London "Alla andra får varann" singen. Zur selben Zeit wurde sie auch in Deutschland bekannt, 1964 schaffte sie es mit "Liebeskummer lohnt sich nicht" bis auf #1 der deutschen Charts. Zwischen 2004 und 2007 tourte sie mit Wencke Myhre und Gitte Hænning in einer gemeinsamen Show durch Deutschland.

Einen Tick erfolgreicher schnitten Anita Traversi für die Schweiz, die sich erstmals vollständig in italienischer Sprache präsentierte und Österreichs Sänger Harry Winter mit "Du hast mich so fasziniert" aus der Feder von Komponist Robert Stolz, ab. Stolz, der auch als Dirigent für Österreich tätig war schrieb unter anderem Stücke für Bühnenaufführungen wie "Im weißen Rössl" oder "Frühling im Prater". Österreich erreichte Platz 7.

Für Belgien trat ein Mann aus der ersten Stunde des Wettbewerbs an, Fud Leclerc nahm bereits 1956 und 1958 für sein Land teil und sollte auch 1962 nochmals wiederkehren. Sein Titel "Mon amour pour toi" belegte den sechsten Rang. Obwohl er bereits das Ticket nach London in der Tasche hatte, nahm er wenige Wochen später noch mit drei Titeln am Schweizer Vorentscheid teil, doch sowohl "Attrap'ça" als auch "La java sans tralala" oder "Chin chin" scheiterten gegen Anita Traversi.

Erfolgreicher war dort die erste Teilnehmerin Norwegens, Nora Brockstedt, die ihren Titel "Voi voi" in samischer Tracht präsentierte und für eine gelungene Abwechslung sorgte, ein mit Deutschland geteilter vierter Platz war das Ergebnis.

Der Sieg ging jedoch nach Frankreich. Sie trat als Letzte auf und wurde Erste: Vorjahressiegerin Teddy Scholten übergab die Trophäe an Jacqueline Boyer, deren Vater im Jahr zuvor noch für Monaco den letzten Platz belegte. Ihr Lied über den Schwindler "Tom Pillibi", der vorgab zwei Schlösser in Schottland und Montenegro zu besitzen, traf den Nerv der Juroren und wurde mit sieben Punkten Vorsprung vor dem Briten Bryan Johnson und François Deguelt aus Monaco Sieger des Abends.

"Tom Pillibi" wurde auch in Deutschland ein Erfolg und erreichte #21 der Charts. Jacqueline Boyer konnte sich später noch mit weiteren Titeln ("Mitsou", "Mucho amore") in den Charts platzieren. Damit holte sie den zweiten Sieg nach Frankreich, dessen Rundfunkanstalt wie auch schon 1959 Cannes als Austragungsort für den Eurovision Song Contest wählte.

Die Teilnehmer:
01. - 032 - Jacqueline Boyer - Tom Pillibi 
02. - 025 - Bryan Johnson - Looking high, high, high 
03. - 015 -  François Deguelt - Ce soir-là 
04. - 011 -  Nora Brockstedt - Voi voi 
04. - 011 - Wyn Hoop - Bonne nuit, ma chérie 
06. - 009 - Fud Leclerc - Mon amour pour toi 
07. - 006 - Ferry Graf - Harry Winter - Du hast mich so fasziniert 
08. - 005 - Anita Traversi - Cielo e terra 
08. - 005 -  Renato Rascel - Romantica 
10. - 004 - Siw Malmkvist - Alla andra får varann 
10. - 004 - Katy Bødtger - Det var en yndig tid 
12. - 002 - Rudi Carrell - Wat een geluk 
13. - 001 -  Camillo Felgen - So laang we's du do bast