Samstag, 8. August 2009

Memories: Eurovision Song Contest 1958

Niederlande - Nach dem Sieg von Corry Brokken, traf sich die Eurovision 1958 im kleinen Örtchen Hilversum in der niederländischen Provinz Nordholland. Die Gemeinde, Geburtstort von Linda de Mol, etwa 30 Kilometer von Amsterdam entfernt, galt bereits seit den 20er Jahren als Rundfunk- und Fernsehzentrum der Niederlande und somit fand er Song Contest an einem Mittwoch, am 12. März 1958, in den AVRO-Studios statt. Noch heute ist Hilversum als Produktions- und Medienstandort über die Grenzen der Niederlande hinaus bekannt.
Zuvor wurde im Januar 1958 bereits der deutsche Titel ausgewählt. Eine Jury wählte in der Kleinen Westfalenhalle in Dortmund unter zwölf Kandidaten das Lied für Hilversum. Moderiert wurde der Vorentscheid von Anaid Iplicjian und Kurt A. Jung. Über die Titel ist nichts bekannt, außer dass Lale Andersen mit "Die Braut der sieben Meere" den zweiten Platz belegte und Margot Hielscher mit ihrem "Für zwei Groschen Musik" (~10 Cent) zum zweiten Mal für den Grand Prix ausgewählt wurde.
Nachdem sie im Vorjahr mit einem Telekommunikationslied Vierte wurde, schaffte sie es mit einem meiner persönlichen Lieblingslieder vom Song Contest, mit Schärpe als "Miss Jukebox" verkleidet und mit Schallplatten bewaffnet leider nur den siebten Platz. Dabei bot sie musikalisch gesehen alles was damals schick war, von Heimatmelodien über Verdi bis hin zu Marschmusik und Dixieland.
Nicht nur die Bundesrepublik besinnte sich auf frühere Kandidaten, auch die Gastgeber aus den Niederlanden setzte auf Vorjahressiegerin Corry Brokken, die sich beim dritten Anlauf jedoch nur über einen Punkt freuen konnte und gemeinsam mit Luxemburgs Solange Berry den letzten Platz belegte. Sie ist damit die bis heute einzige Interpretin die sowohl Erste als auch Letzte wurde. Dabei belegte sie im niederländischen Vorentscheid nach einer Postkartenabstimmung sowohl den ersten, als auch den zweiten Platz.
Hinter ihr landeten im Vorentscheid Persönlichkeiten wie Greetje Kauffeld, die es 1961 beim Song Contest versuchen sollte, Willy Alberti, der Vater der späterin ESC-Teilnehmerin Willeke Alberti und Bruce Low, der bei uns in den 70er Jahren mit "Noah" einen Hit landete. Aber zurück zum Song Contest...
Auch die Schweiz setzte zum mittlerweile dritten Mal auf Lys Assia. Ihr Lied "Giorgio" war ein deutsch-italienisches Gemisch und bestand zum Großteil aus der Aneinanderreihung verschiedenster italienischer Gaumenfreuden. So schaufelte Lys in den Lyrics gemeinsam mit Giorgio an einem Weekend in Ascona am Lago Maggiore Risotto, Polenta, Espresso und natürlich massig Chianti in sich hinein. Die Juroren schienen davon begeistert und somit lieferte sich Lys bei ihrem letzten Gastspiel als Kandidatin beim Song Contest ein Kopf-an-Kopf-Duell mit dem späteren Gewinner.
Obwohl der Franzose André Claveau den Wettbewerb mit seinem Song "Dors, mon amour", einem Schlaflied ("Schlaf, meine Liebe"), gewann, wurde sein Lied internatonal kein kommerzieller Erfolg, die Scharchnummer wollte wohl niemand nochmal hören. Gleichzeitig brachte der Grand Prix 1958 den erfolgreichsten ESC-Titel aller Zeiten hervor, wenngleich er nur den dritten Platz belegte. Domenico Modugno eröffnete als erster den Concours und sang sein Lied "Nel blu dipinto di blu", das heute international als "Volare" bekannt ist.
Da jedoch noch nicht alle Juroren in den verschiedenen Ländern während seines Auftritts zugeschaltet waren, durfte er seinen Titel nach der letzten Starterin, Lys Assia, noch einmal wiederholen. Das Lied schaffte es später auf die #1 der amerikanischen Billboard Charts, stieg in diversen Ländern hoch in die Charts ein und war sogar für einen Grammy nominiert.
2005 wurde das Lied beim 50jährigen Jubiläum des Song Contests hinter "Waterloo" von ABBA zum zweiterfolgreichsten Lied im Wettbewerb gekürt. Heute existieren diverse Coverversionen von "Volare", u.a. von Caterina Valente, den Gipsy Kings, Dean Martin oder Louis Armstrong. Domenico Modugno selbst sollte noch zweimal zum Song Contest zurückkehren. Ein weiterer Wiederholungstäter trat für Belgien an, Fud Leclerc war bereits unter den Teilnehmern 1956 zu finden. Er sollte noch zwei weitere Male für den französischsprachigen Teil Belgiens antreten, jedes Mal mäßig erfolgreich. Er belegte am Ende des Abends punktgleich mit der Österreicherin Liane Augustin den fünften Rang.
Während Großbritannien aus Enttäuschung über Platz 7 im Vorjahr beim Eurovision Song Contest 1958 fehlte, gab Schweden sein Debüt beim Grand Prix. Während alle anderen in Abendkleidung auf der Bühne standen, stieg die Sängerin Alice Babs in Nationaltracht auf die Bühne und sang ihren Titel "Lilla stjärna" ("Kleiner Stern"). Sie wurde Vierte. Die dänische Sängerin Raquel Rastenni schaffte es hingegen nur auf den achten Platz, obwohl sie den Titel ihres Liedes "Jeg rev et blad ud af min dagbog" auch Nicht-Dänischsprechenden verdeutlichte, indem sie eine Seite aus ihrem Tagebuch riss.
Nach einem kurzen Pausenfüller durch das Metropole Orkester unter der Leitung von Dirigent Dolf van der Linden, welches in einer erdrückenden Blumendekoration aus Tulpen und Osterglocken saß, trat die Moderatorin der Veranstaltung, Hannie Lips, ans Telefon und rief die einzelnen Juroren auf. Im Gegensatz zu heutigen Moderatoren zeigten sich die Moderatoren der 50er Jahre, insbesondere Hannie Lips zurückhaltend und schwafelten nicht stundenlang, wie das heute mitunter der Fall ist.
Hinter Hannies Pult wurden die Punkte angezeigt und die Tafel per Handkurbel aktualisiert. Die Abstimmungsregeln waren die gleichen wie im Vorjahr, jede Jury stellte zehn Juroren, von denen jeder einen Punkt für sein Lieblingslied vergeben dufte.
Am Ende hatte der Franzose André Claveau die Nase vorn und siegte mit 27 Punkten. 1936 gewann er zunächst einen Chansonwettbewerb in Paris. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann seine Karriere beim Hörfunk, er nahm mehrere Chansons auf. Sein Erfolg beschränkte sich jedoch auf die französischsprachigen Länder, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, Ende der 60er Jahre zog er sich aus dem Musikgeschäft zurück. Claveau starb 2003 in Tarn, in der Nähe von Toulouse.
Wie dem auch sei, die Komponisten Hubert Giraud und Pierre Delanoe erhielten den Preis des dritten Eurovision Song Contest und Frankreich reihte sich in die Liste der Sieger ein. Und auch in den nächsten Jahren sollte es für Frankreich erfolgreich weitergehen.

Die Teilnehmer:
01. - 027 - André Claveau - Dors, mon amour 
02. - 024 - Lys Assia - Giorgio 
03. - 013 - Domenico Modugno - Nel blu dipinto di blu 
04. - 010 - Alice Babs - Lilla stjärna 
05. - 008 - Fud Leclerc - Ma petite chatte 
05. - 008 - Liane Augustin - Die ganze Welt braucht Liebe 
07. - 005 - Margot Hielscher - Für zwei Groschen Musik 
08. - 003 - Raquel Rastenni - Jeg rev et blad ud af min dagbog 
09. - 001 - Corry Brokken - Heel de wereld 
09. - 001 - Solange Berry - Un grand amour