Freitag, 24. Juli 2009

Memories: Tschechien beim Eurovision Song Contest


Tschechien - Sie war mit drei Jahren relativ kurz und ziemlich unerfolgreich: die tschechische Geschichte zum Eurovision Song Contest. Jedoch zeichnete sich bereits Jahre vorher ab, dass sich das tschechische Fernsehen, bei dem Versuch, den Wettbewerb wie in anderen osteuropäischen Ländern zu einem Quotenerfolg werden zu lassen, keinerlei große Mühe gab.

Zu Zeiten des Kalten Krieges, als die Tschechoslowakei noch bestand, nahm das Land an der Gegenveranstaltung zum Eurovision Song Contest, nämlich dem Intervision Song Contest teil, welches in den Jahren 1977 bis 1980 Teil des Musikfestivals von Sopot war. Zwischen 1981 und 1984 fand aufgrund politischer Unruhen in Polen kein Festival statt. Als es 1984 wieder abgehalten wurde, verzichtete man auf den Intervision Song Contest.

Dennoch konnte die Tschechoslowakei einmal gewinnen: 1977 siegte Helena Vondráčková mit dem Lied "Malovaný džbánku". Zu ihr kommen wir später noch. Neun Jahre zuvor hatte Karel Gott als erster Tscheche überhaupt beim Eurovision Song Contest teilgenommen. Mit dem Lied "Tausend Fenster", welches Udo Jürgens ihm geschrieben hatte, belegte er für Österreich den 13. Platz.

Als der Ostblock und Anfang der 90er Jahre auch die Intervision zusammenbrach, schlossen sich deren Mitglieder dem Netzwerk der Eurovision an. 1993 wurden sowohl das tschechische (ČT) als auch das slowakische Fernsehen (STV) Mitglied der European Broadcasting Union. Die Auflösung der Tschechoslowakei wurde zum 31. Dezember 1992 ohne Referendum vom Parlament beschlossen.

Da nicht alle interessierten neuen Mitgliedsländer am Eurovision Song Contest teilnehmen konnten, fand am 3. April 1993 in der slowenischen Hauptstadt eine Vorqualifikation mit sieben osteuropäischen Ländern, darunter Ungarn und der Slowakei statt. Tschechien war nicht dabei. Für die Slowakei verpasste die Gruppe Elán mit "Amnestia na neveru" um vier Punkte die Qualifikation für den Song Contest.

Während im Laufe der 90er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends immer mehr osteuropäische Nationen ihr Debüt beim Song Contest gaben, blieb die Tschechische Republik ein weißer Fleck auf der Landkarte. Hauptgrund hierfür war vor allem die Finanzierung der Song Contest-Teilnahme.

Erstmals setzte sich das Tschechische Fernsehen 2005 mit dem Song Contest auseinander und meldete sich für den Wettbewerb in Kiew an. Nachdem sich jedoch ein finanzieller Engpass abzeichnete verzichtete man auf den Wettbewerb. In einer offiziellen Erklärung des Senders ČT hieß es damals, dass man sich zunächst auf die Ausrichtung von zwei anderen musikalischen Großprojekten konzentrieren wolle.

Damit war unter anderem die tschechische Version von "Pop Idols" ("Česko hledá SuperStar") gemeint, aus der in der ersten Staffel 2004 bereits Aneta Langerová, 2005 Vlasta Horváth und in der dritten Staffel 2006 Zbyněk Drda hervorgingen.
2006 verzichtete Tschechien von vorn herein auf die Teilnahme am Eurovision Song Contest, zum einen da die gekauften Übertragungsrechte der Olympischen Spiele bereits sehr am Budget des Senders zehrten und zum anderen, da man im Falle eines Ausscheidens im Semifinale nicht den wichtigen Sendeplatz am Samstagabend für ein Finale ohne tschechische Beteiligung abgeben wollte.

2007 sollte es dann jedoch zum Debüt der Tschechischen Republik beim Eurovision Song Contest kommen. Den nationalen Vorentscheid "Eurosong" besetzte man schließlich sogar mit bekannten Namen, so waren u.a. Sámer Issa, der Drittplatzierte aus der ersten Superstars-Staffel und Vlasta Horváth, Sieger der zweiten Staffel dabei, die Gruppe Gipsy.cz, Helena Zetová oder auch die späteren Sieger, die Hardrockband Kabát. Viele der Teilnehmer hatten aktuelle Hits in den tschechischen Charts.

Moderiert wurde die Show von Jiří Korn und Katerina Kristelová, der Gewinner wurde durch SMS-Voting ermittelt. Letztlich wurde auch nur der Sieger mit 28.343 Stimmen bekannt gegeben. Ursprünglich war auch Helena Vondráčková für den Eurosong 2007 gemeldet, ihr eingereichter Titel "Samba" war jedoch schon vor dem 1. Oktober 2006 auf CD veröffentlicht worden, ihren Ersatztitel "Ha ha ha" nahm sie selbst aufgrund des geringen Niveaus aus dem Wettbewerb.

Kabát, die sich bereits 1983 gründeten, fuhren mit dem Song "Malá dáma" ("Kleine Dame") zum Song Contest. Während der Vorbereitungen in Helsinki vermittelten sie den Eindruck, als wüssten sie gar nicht, was genau der Eurovision Song Contest ist. Das tschechische Fernsehen schien mit der Teilnahme schlichtweg überfordert. Im Halbfinale belegten Kabát schließlich den 28. und letzten Platz mit lediglich einem Gnadenpunkt aus Estland.

Nach der Pleite von Helsinki gab sich der Sender ČT mehr Mühe, einen geeigneten Kandidaten zu finden. Zugleich wurde mehr Werbung für den Eurosong 2008 betrieben. Moderiert wurde die Vorentscheidung von Aleš Háma und Katerina Kristelová. Die Einschaltquote des Vorentscheids blieb dennoch gering.

Als Siegerin ging Tereza Kerndlová mit ihrem Titel "Have some fun" hervor. Daraufhin entbrannte in Tschechien eine Diskussion über möglichen Betrug und Fälschung der Ergebnisse zugunsten der Sängerin. Viele hatten zuvor die Gruppe Gipsy.cz als klare Favoriten gesehen. ČT bekräftigte jedoch die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses und schickte Kerndlová nach Belgrad.

Von der ursprünglichen Studioversion ihres Titels blieb beim Semifinale in Belgrad jedoch nicht mehr viel übrig. Schlecht gesungen und mit einem vollkommen überflüssigen DJ gab es insgesamt neun Punkte und einen enttäuschenden 18. Platz. Nur die ungarische Sängerin Csezy konnte Tereza Kerndlová damit hinter sich lassen. Nach dem Ausscheiden 2008 gab es lange Zeit Zweifel daran, ob Tschechien auch 2009 am Song Contest teilnehmen würde.

Erst auf Drängen der EBU entschloss sich das tschechische Fernsehen für einen dritten Anlauf. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde die Gruppe Gipsy.cz dieses Mal intern nominiert, nachdem sie zweimal im Vorentscheid gescheitert war. Die Nominierung der Zigeunerband löste bei rechten Gruppen in Tschechien heftige Kritik aus.

Den Zuschauern wurden spätnachts im Rahmen der Show "Noc s andělem" zwei Titel zur Auswahl gestellt, über die sie zwei Wochen lang per SMS abstimmen konnten. Nach einer sehr geringen Beteiligung und kaum spürbarem Interesse am Beitrag für Moskau wurde der Titel "Aven Romale" ausgewählt, Tschechien beim 54. Song Contest zu vertreten.

Die Darbietung, die auf der Bühne einem reinen Spaßbeitrag glich, wurde vom europäischen Publikum mit null Punkten im ersten Semifinale bestraft. Aus der Slowakei, die nach elfjähriger Pause zum Wettbewerb zurückkehrte, konnte es keine Freundschaftspunkte geben, da diese im anderen Semifinale startete.

Zwei Monate nach der Pleite von Moskau wurde Jiří Janeček am 15. Juli im Amt des Programmintendanten bestätigt und für sechs Jahre wiedergewählt. In dieser Woche erklärte die Programmdirektorin Kateřina Fričová in einem Online-Interview dann schließlich, dass ČT keinen Teilnehmer nach Oslo schicken werde. Das Interesse am Song Contest in der tschechischen Bevölkerung sei einfach zu gering.

Wie berichtet wird, steht der Sender jedoch auch vor einschneidenden Einsparungen. Bis 2013 sollen 4,5 Millarden Kronen (175 Millionen Euro) eingespart werden, voraussichtlich werde es dabei auch zu Entlassungen bei den 3.000 ČT-Mitarbeitern kommen. Der Sender ist zu 90% gebührenfinanziert, ein Gesetzesentwurf zur Erhöhung der Gebühren liegt bereits im Tschechischen Senat.

Hinzu kommt, wie mir in einem slowakischen Fanforum beschrieben wurde, dass die tschechische Musikszene seit Jahren in einer Krise steckt. Wer sich heute mal die landessprachlichen Beiträge in den aktuellen tschechischen Top 100 anschaut, wird feststellen, dass keiner der Songs für den Song Contest geeignet ist.

Kateřina Fričová zeigte sich ebenfalls verwundert über das Interesse in der slowakischen Bevölkerung am Eurovision Song Contest. Ein vergleichbares Konzept mit mehreren Vorrunden, wie beim Eurosong in der Slowakei sei in Tschechien nicht realisierbar, heißt es aus Prag.


Ob und wann die Tschechische Republik zum Song Contest zurückkehren wird, bleibt abzuwarten. Das allgemeines Interesse an Europa und dem Eurovision Song Contest scheint momentan jedoch nicht allzu groß zu sein, wie auch die kürzlich verstrichene EU-Ratpräsidentschaft der Tschechischen Republik deutlich machte. Vielleicht sollten die Tschechen mal einen ihrer wunderbaren Märchenfilme zum Song Contest schicken, mit Märchen hat man ja durchaus Chancen, wie Alexander Rybak gezeigt hat...