Sonntag, 17. Mai 2009

Eurovision 2009: Das Finale im Schnelldurchlauf


Russland - Die Veranstalter in Moskau haben ihr Versprechen gehalten, man hat den größten Eurovision Song Contest aller Zeiten gesehen, sowohl was die Eindeutigkeit des Siegers anbelangt, als auch die Organisation und vor allem die Leistungen, die man im Finale gesehen hat. Dabei gab es bei keinem Contest zuvor so viele Kritikpunkte und Skandale wie in diesem Jahr. Der Rückzug Georgiens, die gewaltsame Auflösung der Homosexuellen-Demonstration am Finaltag, Phillip Kirkorovs Funktion in der Jury und das Chaos um die Ausstrahlung des zweiten Semifinals in Spanien.

Aber trotzdem haben es die Organisatoren geschafft, das Finale zu einer unvergesslichen Show zu machen. Man erinnere sich nur an den Opening-Act, den Cirque du Soleil oder diese argentinische Wassergruppe in der Pause. So etwas hat der Song Contest noch nicht gesehen! Auch die Eröffnung des Televotings aus dem Weltall gab es so noch nicht. Kostenpunkt für die Russen: etwa 42 Millionen Euro.

01. - Litauen - Sasha Son - Love 
Nachdem der Cirque du Soleil, Dima Bilan und die beiden Moderatoren Alsou und Ivan Urgant, die ich für ihre Englischkenntnisse und ihre dezente Art und Weise schon fast in den Himmel loben möchte (Zuschauer der Halbfinals wissen wovon ich rede), verschwunden waren, ging es mit Litauen los. Wenig Show, ein Mann am Klavier, ein paar Zeilen auf Russisch, aber leider beim Voting durchgefallen.

02. - Israel - Noa & Mira Awad - There must be another way 
Startnummer 2, das Friedenslied von Noa & Mira Awad aus Israel. Beim zweiten Liveauftritt habe ich mich daran nun inzwischen auch gewöhnt und fand es nett. Ein Freund von "There must be another way" werde ich aber wohl trotzdem nie. Immerhin konnten sie ihre Botschaft der Welt noch einmal vorsingen. Für Israel sprang mit diesem schlichten Beitrag ein Platz im Mittelfeld heraus.

03. - Frankreich - Patricia Kaas - Et s'il fallait le faire 
Erstmals in ihrer Karriere stand sie am Todestag ihrer Mutter auf der Bühne und Patricia Kaas' Auftritt erfolgte ebenfalls schlicht. Die einen sagen, es war Weltklasse, die anderen fanden es war eine öde Nummer bei der nichts passierte. Ich bin zwar auch kein großer Fan des Liedes, aber die stimmlichen Qualitäten und die Bühnenpräsenz muss man einfach loben. Das Publikum war auch dieser Meinung und spendete ordentlich Applaus.

04. - Schweden - Malena Ernman - La voix 
Das Schweden so weit unten im Ranking wiederzufinden ist, kann ich mir eigentlich nur damit erklären, dass der Zuschauer vom Hintergrund und von Malenas Kleid so geblendet war, dass er die Tasten des Telefons nicht getroffen hat. Das Aftonbladet wird bestimmt wieder einen Grabstein für den ESC aufstellen, für "La voix" reichte es nämlich nur zu Platz 21.

05. - Kroatien - Igor Cukrov & Andrea Šušnjara - Lijepa tena 
Die Jury hat's ins Finale getragen und dort reichte es, wie schon im vergangenen Jahr für Kraljevi Ulice nur für einen Platz im unteren Mittelfeld. Igor Cukrov und seine Duell Duettpartnerin Andrea jaulten drei Minuten in die Kamera, bewegten sich komisch und kassierten einen Anstandsapplaus und ein paar Punkte vom Balkan. Vorne spielten sie aber nicht mit.

06. - Portugal - Flor-de-Lis - Todo as ruas do amor 
Portugal hatte seine depressive Last der letzten 40 Jahre auch endlich abgeworfen und mit Flor-de-Lis das Finale erreicht. Ich fand' den Auftritt nach all den düsteren Liedern sehr aufbauend, fröhlich und bunt. Da es sich aber eben um Portugal handelt, war außer einer mittelmäßigen Platzierung nichts drin. Aber ich denke die portugiesische Delegation war überhaupt schon froh, im Finale dabei gewesen zu sein.

07. - Island - Yohanna - Is it true?
Nach Selma (1999) ist Yohanna nun die zweite Interpretin, die eine Silbermedaille für Island ersingen konnte. Und das hat sie auch mehr als verdient, es war ein unglaublich schöner Auftritt, einwandfrei gesungen, der Chor passte dazu, die Windmaschine, der Hintergrund... hach...

08. - Griechenland - Sakis Rouvas - This is our night 
Sakis Rouvas hat sich auf der Bühne auch ziemlich verausgabt, turnte auf seinem Laufband umher, riss sich das Hemd auf, sang gegen das Knallen der Feuerwerkskörper an und schaffte es letztlich auf einen siebten Platz. Ob man die griechischen Erwartungen erfüllen konnte, wage ich zu bezweifeln, aber er hat trotzdem das Maximum gegeben und Platz 7 ist ja auch nicht sooo schlecht.

09. - Armenien - Inga & Anush - Jan jan (nor par) 
Viermal dabei, viermal Top 10, Armenien kann auch machen was es will, es reicht immer, um mich zum Staunen zu bringen. Mich wundert es, dass Europa tatsächlich auf dieses Ethnogedudel steht, mit dem uns die Kaukasusrepublik nun schon einige Jahre heimsucht. Trotzdem fuhren Inga und Anush mit "Jan jan" das bislang schlechteste Ergebnis ihres Landes ein - Platz 10. Über so einen Schnitt wären wir froh.

10. - Russland - Anastasia Prikhodko - Mamo
Die Idee mit der alternden Anastasia Prikhodko auf den LED-Screens fand ich toll. Allerdings jaulte mir die junge Ukrainerin etwas zu viel ins Mikro. Inklusive dem Gastgeberbonus ist der zehnte elfte Platz schon ein respektables Ergebnis. Und der russische Channel One hatte ja zuvor eh angekündigt, dass man dieses Jahr nicht nochmal gewinnen möchte.

11. - Aserbaidschan - AySel & Arash - Always 
Tim Frühling muss ich an dieser Stelle Recht geben, Arash spielt gesanglich eine Liga tiefer als Aysel Teymurzadeh aus Aserbaidschan. Dennoch ist der dritte Platz für meinen persönlichen Lieblingssong in diesem Jahr verdient gewesen, da war von der Windmaschine bis zur Feuerexplosion auch alles dabei, was zu einer perfekten Inszenierung für den Song Contest gehört, sehr gut gemacht!

12. - Bosnien-Herzegowina - Grupa Regina - Bistra voda
Davor Ebner schien anfangs ein bisschen nervös gewesen zu sein. Im Laufe von "Bistra voda" hat er sich seinen Schmerz allerdings von der Seele gesungen und gemeinsam mit seiner Gruppe Regina eine tolle Darbietung abgeliefert. Eine sehr schöne Nummer vom Balkan, die ich aber ein paar Plätze höher vermutet hätte.

13. - Moldawien - Nelly Ciobanu - Hora din Moldova 
Der erste Beitrag Moldawiens, den ich mal richtig toll fand und bei dem ich die 12 Punkte aus Rumänien auch nachvollziehen konnte. Die folkloristischen Tanzeinlagen waren auch lustig mit anzusehen und offenbar hatten auch die Portugiesen ihre Freude daran, von dort gab es nämlich auch noch 12 Punkte. Platz 14 geht in Ordnung.

14. - Malta - Chiara - What if we
Oh was wird jetzt auf Malta los sein... Chiara ist in Moskau durchgereicht worden, und das obwohl sie bei vielen zum weiteren Favoritenkreis zählte. An der Stimme hat es sicherlich nicht gelegen, Chiara hat nämlich wie schon im Semifinale die Halle mit ihrer Stimme ausgefüllt. Aber angesichts der Konkurrenz und des doch recht schnarchigen Liedes, musste es wohl so kommen. Darüber werden die Verantwortlichen auf Malta wohl noch einige Zeit grübeln.

15. - Estland - Urban Symphony - Rändajad 
Die zweite Überraschung des Abends: Urban Symphony aus Estland, das sowieso zum ersten Mal seit Einführung des Semifinals 2004 in einer Endrunde dabei ist, schiebt sich langsam aber sicher an den großen Namen dieses Wettbewerbs vorbei und belegt den sechsten Platz. Ich habe auch für Estland angerufen, einmal und es gab von Deutschland immerhin einen Punkt für dieses tolle Lied. Für Estland freut es mich richtig!

16. - Dänemark - Brinck - Believe again 
Wie schon im Semifinale gab es da noch einige Töne, die daneben gingen, aber im Großen und Ganzen lieferte auch Brinck eine recht ordentliche Leistung ab und kann mit einem 13. Platz erhobenen Hauptes zurück nach Dänemark fahren. Ich bin am Überlegen, wie das Lied abgeschnitten hätte, wenn Ronan Keating damit selbst für Irland gestartet wäre...?

17. - Deutschland - Alex Swings, Oscar Sings - Miss Kiss Kiss Bang
Wir haben uns auch nichts vorzuwerfen, Oscar überzeugte sowohl stimmlich als auch optisch, die Steppeinlage im Spotlight, Dita von Teese auf ihrem Kussmund und Alex am Klavier... eigentlich war da alles drin, womit man in den letzten Jahren gepunktet hätte. Und es ist ja nicht so, dass wir keine Punkte bekommen hätten, immer mal kleckerweise Punkte aus Albanien, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Bosnien, ..., das ist ja schon was.

18. - Türkei - Hadise - Düm tek tek 
Selbst aus der Türkei haben wir einen Zähler erhalten. Dafür haben wir Hadise aber auch 10 gegeben. Im Vergleich zum Semifinale hat sie sich meiner Meinung nach ein bisschen gesteigert. Der vierte Platz kam schließlich auch nicht unbegründet zustande. Mit dem Gesamtpaket hat die Türkei einfach überzeugen können.

19. - Albanien - Kejsi Tola - Carry me in your dreams 
Albanien war das einzige Land, bei dem ich mich gefragt habe, warum es das Lied bis ins Finale geschafft hat. Den grünen Molch im Hintergrund fand ich ein bisschen unpassend und das Lied ist auch nicht so der Bringer gewesen. Insgesamt war die Show aber doch ganz nett gemacht. Für Kejsi Tola reichte es zu Platz 17, ein vergleichbares Ergebnis wie im letzten Jahr, nur mit einem schwächeren Lied.

20. - Norwegen - Alexander Rybak - Fairytale 
Der Sieger des Abends. Ich glaube zu Alexander Rybak ist mittlerweile alles gesagt. Wenn sich Fans, Televoter und Jurys in ganz Europa so einig sind, dann gibt es keine Zweifel daran, dass er den besten Auftritt hingelegt hat. Mit einem selbstgeschriebenem Lied hatte er ja zuvor bereits im norwegischen Vorentscheid einen astronomischen Vorsprung zur Zweitplatzierten. Und ich bin davon überzeugt, dass die Norweger 2010 in Oslo auch eine großartige Arbeit machen werden.

21. - Ukraine - Svetlana Loboda - Be my valentine (Anti-crisis girl) Viel Show, viel rausgeschmissenes Geld für diese Höllenmaschine und am Ende gab es Platz 12 für Svetlana Loboda aus der Ukraine. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass sie auf den vorderen Rängen mitmischen wird, aber der Song Contest ist offenbar immer wieder für 'ne Überraschung gut und somit wurde die seit Jahren anhaltende Erfolgsserie der Ukraine unterbrochen. Platz 12 ist m.E. okay.

22. - Rumänien - Elena Gheorghe - The Balkan girls 
Ein schwaches Lied und eine ebenso schwache Darbietung folgte aus Rumänien, das wahrscheinlich im Schatten seines Nachbarlandes etwas unterging und sich somit am Ende des Abends nur auf einem der hinteren Plätze wiederfand. Ich hätte erwartet, dass wir zumindest Rumänien hinter uns lassen, aber wie so oft wird man eines Besseren belehrt.

23. - Großbritannien - Jade Ewen - My time 
Das United Kingdom ist zurück! Ich bin so glücklich über den fünften Platz für Jade und Andrew Lloyd Webber. Ein kleiner Wackler war zwar drin, aber der Auftritt als Ganzes betrachtet war einfach phänomenal. Mit wenig Mitteln hat man ganz großes Kino inszeniert. Und es war Jade auch zu wünschen.

24. - Finnland - Waldo's People - Lose control 
Die Show mit den Feuerartisten und den brennenden Ölfässern war auf jeden Fall toll, über den Rap- und Gesangspart kann man sicherlich streiten. Aber einer muss ja Letzter werden, und da Waldo's People sowieso nur aufgrund der Juryentscheidung im Finale dabei waren, hat es in diesem Jahr halt mal die Finnen getroffen. In Helsinki weiß man mit letzten Plätzen aber umzugehen, in den letzten 40 Jahren gab es ja mehr als ein halbes Dutzend von denen.

25. - Spanien - Soraya Arnelas - La noche es para mí
Nur einen Zähler besser schnitt Soraya aus Spanien ab. Das hat mich auch ein bisschen irritiert, war der Auftritt vielleicht einfach nur eine Spur zu kühl? Eine andere Erklärung weiß ich ansonsten nicht, die den vorletzten Platz für "La noche es para mí" rechtfertigt. Besonders das Verschwinden von Soraya hinter diesem orangefarbenem Tuch hätte doch ein paar Special Effects-Punkte einbringen müssen. Na ja...

Und sonst: Das Ergebnis hätte aus deutscher Sicht natürlich besser sein können, aber zumindest quotentechnisch hat sich der Song Contest wieder einigermaßen erholt. Top-Quoten wie zu Zeiten von Guildo Horn oder Texas Lightning hat die ARD zwar nicht eingefahren, aber im Schnitt waren immerhin 7,36 Millionen Menschen dabei, im Vorjahr war es noch gut eine Million weniger. Der Marktanteil liegt bei 31,1%.

Zu guter Letzt noch ein paar lobende Worte an unseren deutschen Kommentator, Tim Frühling. Dem konnte man nämlich wirklich anmerken, dass er sich mit dem Eurovision Song Contest beschäftigt hatte. Er brachte viele Infos rüber, war sympathisch, gelegentlich auch etwas bissig - so kommentiert man. Peter Urban auf diesem Wege gute Besserung, aber im nächsten Jahr hätte ich gerne wieder den hr3-Moderator!

Die beiden Moderatoren Alsou und Ivan Urgant (rechts)
Sasha Son für Litauen im Greenroom || Noa & Mira Awad
Patricia Kaas und Delegationsleiter Bruno Berberes
Schneekönigin Malena Ernman || Erwischt: Andrea und Igor aus Kroatien
Daniela aus Portugal || Hera Björk, Yohanna und Fridrik Ómar
Sakis Rouvas im Greenroom || Und die armenischen Schwestern
Auch im Bild, der Rücken von Alex C. || Anastasia Prikhodko vor ihrem Auftritt
Russlands Anastasia Prikhodko im Greenroom || Aysel und Arash für Aserbaidschan
Die Delegation aus Aserbaidschan || Grupa Regina auf der Bühne
Nelly Ciobanu aus Moldawien || Der Absturz des Abends: Chiara aus Malta
Das Ergebnis wird von der estnischen Delegation ordnungsgemäß begossen
Brinck für Dänemark || Dita, Oscar und der Kussmund für Deutschland
Team Germany im Greenroom, da stand Hadise grad auf der Bühne
Hadise bekam 12 Punkte aus ihrer Heimat Belgien || Kejsi Tola für Albanien
Zwei Darbietungen mit wenig Stoff: die Ukraine und Rumänien
Großes Drama: Jade und Andrew am Klavier || Hängende Köpfe bei den Finnen
Soraya aus Spanien beendete den gesanglichen Teil der Show
...und wurde am Ende 24/25 || Greenroom-Moderator Dmitry Shepelev
Wasserspektakel aus Argentinien in der Votingpause: Fuerza Bruta
Thomas Anders meldete sich von der Reeperbahn, da wusste Alexander Rybak noch nichts von seinem bevorstehenden Sieg
Das Ende vom Lied - die Preisverleihung mit Dima Bilan und Lys Assia